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und sich mit Stooss°? jenes als den Kern, dieses als die Schale
vorstellen, wobei freilich bei manchem Eide vor Gericht, der um
einer Kleinigkeit willen geleistet wird, der Kern weniger Wert und
Gewicht als die Schale hat. Die Schale macht den Eid zu einem
religiösen, der Kern läßt ihn als einen privaten oder öffentlichen,
als prozessualen oder politischen und hierunter wieder als Thron-,
Amts-, Untertanen- oder Fahneneid erscheinen. -—
Ich... schwöre... einen leiblichen Eid. Wer bei
diesen Worten sich ein Bild machen soll, denkt sich einen Mann
mit erhobener Hand, mit der Linken die Fahne berührend, an einem
Ort, der militärisches und religiöses Gepräge trägt, vorbereitet
mit geistlicher und soldatischer Belehrung.
Die feierliche Haltung entspringt dem Bedürfnis, mit der Geste
die Rede zu unterstreichen. Bei der Vereidigung geschieht das
durch Handerheben und durch Berühren der Fahne, des Geschützes
oder Degens.
Das Emporheben der rechten Hand, das ursprünglich,
wie LASCH in seiner trefilichen kulturhistorischen Abhandlung
über den Eid°® sagt, „nichts anderes ist, als jene einfachste in-
stinktive Bewegung, mit welcher der Mensch seit jeher seine fried-
lichen Absichten kundgab und deren Abkunft von einer unwill-
kürlichen Abwehrbewegung wohl keinem Zweifel unterliegt“, dies
Emporheben der Hand wurde schon früh als ein Hinweis auf ein
höheres Wesen gedeutet und gebraucht. Von Manchen ’” wird
5 STOoss, Meineid. Vergl. Darst. d. deutschen und ausländischen Straf-
rechts B III, Berlin 1906. S. 382.
® LascH, Der Eid, seine Entstehung und Beziehung zu Glaube und
Brauch der Naturvölker. Stud. u. Forsch. z. Menschen- und Völkerkunde.
V. Stuttgart 1908. S. 9.
? Drei Finger (Dreieinigkeit) fordern u. a. v. ESTORFF, Anleitung zum
Unterricht über Fahneneid, Kriegsartikel und Berufspflichten. 4. Aufl.
Berlin 1902. S. 2. Gr. WALDERSERE, Leitfaden f. d. Dienstunterr. d. Infan-
teristen. 138. Aufl. Berlin 1902. S. 11. Hvuvyssen, Der mil. Diensteid. 8. Aufl.
Berlin 1890. S. 22. PoTEen, Mil. Dienstunterr. f. d. Kavallerie. 6. Aufl.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXV. 2. 13