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dem Kaiser ableiteten, so müsse man umgekehrt schließen „daß
der Kaiser den Eid in Stellvertretung der Landesherren entgegen-
nehme“.
HERMANN SCHULZE °, der im Gegensatz zu BROCKHAUS Kon-
tingents- und Landeshoheit reinlich scheidet und das „Recht auf
Entgegennahme des Fahneneides“ als einen Ausfluß der letzteren
auffaßt — übrigens empfangen „Regierungen“ nicht den Eid
sondern der Landesherr als Person — kommt auch zu dem Schluß,
daß die „Regierungen“ ihn „als bevollmächtigte Organe für das
Reich entgegennehmen“, und zwar nur formell, während er
materiell dem Reich gelte. Freilich muß auch SCHULZE zuge-
stehen, daß im Fahneneid die jedem Untertan obliegende Treue
sowohl eine religiöse Verstärkung als eine Erweiterung auf die
militärischen Verhältnisse erfahre. Dennoch soll der Eid materiell
dem Reich gelten? Trotzdem die Gehorsamsverpflichtung später
eingefügt wurde, ohne den Eidesinhalt sonst zu berühren, trotz-
dem als Eidnehmender mit klaren Worten der Landesherr nament-
lich genannt wird? Hier ist der Wunsch der Vater eines Ge-
dankens gewesen, den man de lege ferenda postulieren aber nicht
in die lex lata hineininterpretieren kann.
Der Eid gilt dem Landesherrn ”. Daraus folgt, daß in
Preußen bei Nichtpreußen ein Preußischer Eid durch Preußische
Offiziere, die ihre Befugnisse vom König von Preußen ableiten,
zugunsten und in Stellvertretung des Landesherrn desSchwören-
den abgenommen wird, daß bei Elsaß-Lothringern ein von dem
Kaiser und König als Bundesfeldherrn * verordneter Eid durch
preußische Offiziere zugunsten und in Stellvertretung des Deut-
26 HERMANN SCHULZE, Lehrb. des deutschen Staatsrechts. Leipzig 1883
II S. 267 £.
27 LABAND, Deutsches Reichsstaatsrecht, S. 336 ff. MEYER-ANSCHÜTZ,
Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 6. Aufl. Leipzig 1905. 8. 726. DAMm-
BITSCH, Verfassung des Deutschen Reichs. Berlin 1910. S. 613.
2 Vgl. die Einleitungen in Kr.Min. v. 19. Dezember 1867 einerseits und
v. 12. Dezember 1878 andererseits.