Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

— 1 — 
Man hat wohl die Klausel, ohne weiter zu unterscheiden, aus 
einem Abkommen ins andere übernommen. 
Anders sieht nun freilich die Sachlage aus, wenn man sich 
auf den Standpunkt der beiden verbündeten Gegner stellt: wenn 
eine Vertragsmacht, die im Kriege mit einer anderen Vertrags- 
macht steht, sich mit einer Nichtvertragsmacht verbindet, so wird 
sie dadurch ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen gegen ihren 
Gegner ledig. Diese Wirkung der Klausel läßt sich durch jene 
Erwägung nicht mehr rechtfertigen, denn es ist immer möglich, 
daß die eine Macht, die Vertragsmacht, sich bei ıhren Hand- 
lungen innerhalb der Schranken des Abkommens hält, während 
die ihr verbündete Macht das nicht tut. Es liegt auch sonst 
kein Grund vor, die Vertragsmacht deshalb, weil sie sich mit 
einer Nichtvertragsmacht verbündet, der völkerrechtlichen Bindung 
ledig zu machen. Indes diese zweite Folgerung erklärt sieh da- 
durch, daß sie die notwendige Kehrseite der ersten darstellt: weil 
nach der ersten Folgerung der Vertragsstaat, der einem Vertrags- 
staat und einem Nichtvertragsstaat gegenübersteht, beiden gegen- 
über nicht gebunden ist, sind es auch wegen der Gegenseitigkeit 
jeder völkerrechtlichen Bindung ihm gegenüber beide nicht. 
Uebrigens hat, auch noch über die dargelegten sachlichen 
Erwägungen hinaus, ein anderer Gedanke bei der Schaffung der 
Klausel mitgewirkt. In dem „Rapport“, den RENAULT auf der zweiten 
Haager Tagung erstattet hat, heißt es°, der Grundsatz der Gegen- 
seitigkeit der völkerrechtlichen Bindung sei nicht bloß in sich ge- 
recht, sondern seine Anwendung habe auch den Vorteil „de faciliter 
l’extension des Conventions en augmentant ]’ interöt que tous les 
Etats peuvent avoir & y adherer“. Man wünschte selbstverständ- 
lich, daß möglichst viele Staaten sich den Abkommen anschlössen. 
Inwiefern wird diese Ausbreitung der Ahkommen durch die Klausel 
gefördert? Gemeint sein kann nur: jeder Staat hat ein Interesse 
6 „Deuxiöme conference“ I S. 344.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.