Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Darstellung ganz von selbst zu verschiedenen modernen Theorien und 
Schulen, die sich heftig zu widersprechen glauben, weil jede von einer an- 
deren Richtung her in das Wesen des Gegenstandes einzudringen strebt, 
vielleicht auch eingedrungen ist und jetzt der andern, die sie schon darin 
vorfindet, beweisen muß, daß sie eigentlich gar nicht da sein könne weil 
es von der andern Seite her keinen Eingang gebe, wenigstens keinen 
wissenschaftlichen. Das kompliziert sich dann noch durch die leidige 
Spezialisierung der Wissenschaften, die den Juristen dem Nationalökonomen, 
diesen dem Historiker verdächtig macht und schließlich zu den schnöde- 
sten Vorwürfen führt, die Gelehrte überhaupt für einander übrig haben: 
Oberflächlichkeit und Dilettantismus. Es ist SCHMOLLER mit seinen Schü- 
lern und den Publikationen seiner Zeitschrift, der bei BELOW die heftigsten 
Aeußerungen literarischer Fehde hervorruft. Ich möchte ausdrücklich den 
Vorbehalt machen, daß mir der Ton nicht gegenwärtig ist, mit dem 
SCHMOLLER und die anderen Verfechter der „hofrechtlichen Theorie“ in 
den BEeLowschen Wald hineingerufen haben mögen; aber was uns dagegen 
aus diesem Wald zurückschallt, ist nicht fein und lieblich. Der Berliner 
Nationalökonom hat, bei sonst unerfreulichem Wesen seiner Schriften, zu- 
nächst (S. 62) noch das Verdienst, sich in Gegensatz zum Liberalismus ge- 
stellt zu haben; aber später (S. 83) sind „seine eigenen Gedanken über 
die Entwicklung des Mittelalters“ (im Unterschied zu verdienstlichen Ar- 
beiten in der neueren Verwaltungsgeschichte) „zu kümmerlich, als daß sie 
eine geistige Führung hätten begründen können*; SCHMOLLER ist nicht 
Führer, sondern nur Protektor der „Kreise“, deren an Nırzscas Theorie 
anschließende Schriften wiederholt als „unglaublich“, als die „unerfreu- 
lichsten Blüten der bezeichneten Literatur“ erwähnt werden; noch später 
nimmt SOHMOLLER „die Stellung eines wahren Vaters begrifflicher Zer- 
fahrenheit ein“ (S. 106/07: wehe einem jüngeren Autor, der sich von ihm 
auf falsche Wege führen oder ihn gar Patenstelle an seinen Arbeiten ver- 
treten läßt!), oder es ist ein Artikel SCHMOLLERs „ein erstaunliches Bei- 
spiel für den Dilettantismus, der sich noch am Ende des 19. Jahrhunderts 
innerhalb des äußeren Rahmens der wissenschaftlichen Literatur hervorwagen 
konnte“ (S. 98 Anm. 5). 
Ist solche Polemik wenig erbaulich und dem Ansehen der Wissen- 
schaft im allgemeinen gewiß nicht förderlich, so muß allerdings berück- 
sichtigt werden, daß sie ein vielleicht notwendiger Schatten des Vorzugs 
ist, den BELOw in diesem Band wieder aufs beste bewährt, nämlich einer 
Beherrschung der Literatur und eines Einblicks in ihre Zusammenhänge, 
vermöge dessen eine sonst eher zur Trockenheit neigende Aufzählung der 
erschienenen Schriften nach der Reihenfolge ihrer Ausgabe den Reiz un- 
mittelbarer Entwicklungsgeschichte bekommt. Man wird in die geistigen 
Werkstätten der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit geführt; man 
sieht, wie man es hier so weit gebracht und wie dort alles stecken ge-
	        
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