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blieben ist, wie Gegnerschaft und Schülertum bald fördernd, bald hemmend
wirken, wie gerade bei den Historikern die Beschränkung des Forschens
auf einen kleinen Zeitausschnitt böse Verschiebungen des Urteils mit sich
bringen kann (Sehr treffend S. 71). Hier ist BELOw ganz der General,
der mit sicherem Blick die Truppen im Manöver verteilt und ihre Einwir-
kung auf die beiderseitigen Stellungen abschätzt; er hat seine Autoren von
HALLER, EICHHORN, LEO bis auf SoHM, BRUNNER, GIERKE und — BELOW
selbst im Kopf wie ein genialer Schachspieler seine Figuren und ihre
Züge. Höchstens daß eine besonders starke oder unabhängige Art sich
dieser Einordnung entzieht; so scheint mir HEUSLER nicht recht gewürdigt.
Auch die Forscher, die ihre Ergebnisse nicht selbst auf bestimmte Lehr-
sätze gebracht haben, kommen zu kurz; damit hängt es wohl zusammen,
daß ERNST MAYER mit seiner großen Verfassungsgeschichte nur gelegent-
lich in Nebennotizen erwähnt wird, in der Gesamtdarstellung aber völlig
ausfällt. (Das Autorenverzeichnis trügt hier mit der Angabe 131 £.)
Auffällig ist bei der Methode BELOws die Schärfe, mit der er sich
gelegentlich gegen die vergleichende Geschichtswissenschaft oder wenig-
stens gegen die angebliche Ueberschätzung der vergleichenden Arbeit wen-
det. Er zitiert Goethes Wort „Dilettanten vergleichen“ (S. 333 Anm. 4,
nach BRUNNER Preußische Jahrbücher 36 S. 35) — aber ich meine wenn Goethe
gesagt hätte, man erkenne den Dilettanten daran, daß er nicht zu ver-
gleichen versteht, oder daß er Dinge vergleicht, die er in ihrer Einzelheit
gar nicht kennt, so wäre das ebenso richtig oder falsch verallgemeinert,
wie jene zwei Worte. Man sollte sich, wenn man schon das Vergleichen
als gefährliche Verführung ansehen will, nicht darauf beschränken, die
räumliche Vergleichung zu meiden, sondern ebenso die zeitliche perhorres-
zieren; zu ihren gefährlichsten Wegen gehört aber der, auf dem BELOow
mit seinem Leitsatz und auch in zahlreichen Einzeläußerungen geht: die
Zusammenfassung von Erscheinungen der mittelalterlichen Geschichte unter
Begriffe, die ihren bestiminten Sinn erst in der Wissenschaft und dem
Leben der Neuzeit erhalten haben oder gar das Hineinleuchten politischer
Vorgänge und Auffassungen des Tages in die Geschichte ist ein meines Er-
achtens bedenklicheres Vergleichen als die Gegenüberstellung der den Staats-
gedanken ausdrückenden oder ihm widerstrebenden Erscheinungen in deut-
schem, französischem oder englischem Gebiet zur gleichen Entwicklungszeit.
BELOW charakterisiert gelegentlich einen Schriftsteller damit, daß er der
Richtung des Berliner Tageblatts angehöre oder dahin gelangte der Frank-
furter Zeitung seine Neigung zuzuwenden (S. 343 Anm. 2 am Schluß); er
verschmäht auch den Hinweis auf politische Zustände der Gegenwart
(Panama S. 299, mit einer Aeußerung Poincares $8. 299 Anm. 2 die mir
nicht viel zu beweisen scheint; es wird wohl kaum irgend eine Zeit und
irgend eine Regierungsform geben, bei der nicht über Favoritismus geklagt
wird) oder ein Exemplifizieren von eigenartigen staatsrechtlichen Verhält-