Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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und Kinder, als „Feind“ im Rechtssinn betrachtet und zweitens als un- 
mittelbare Folge des Kriegs das Aufhören jeder rechtlichen Beziehung und 
das Verbot jedweden Verkehrs zwischen den Angehörigen der kriegführen- 
den Staaten statuiert. Dieser Auffassung hat sich Frankreich jetzt durch 
ein eigenes Gesetz (im Juli 1915) unterworfen. (Vgl. auch n. 1485g und h.) 
Der kriegführende Staat darf die Angehörigen des feindlichen Staates 
nicht ausweisen; er muß ihnen die Ausübung ihres Berufs, Handwerks, 
Handels gestatten; nur wenn im Einzelfall begründeter Verdacht besteht, 
daß die Ausländer durch diese ungehinderte Weiterführung ihres Lebens 
den Kriegserfolg ihres Heimatstaates begünstigen, darf von der Regel ab- 
gegangen werden (n. 1446 fg.); Konfiskation feindlichen Privateigentums 
ist schwere Völkerrechtswidrigkeit; vorübergehende Sequestration ist nur 
bei Handelsschiffen in der auf die Kriegserklärung unmittelbar folgenden 
Zeit erlaubt, damit sie nicht Nachrichten aus dem feindlichen Land ver- 
breiten, die geheim gehalten werden müssen (n. 1449). Das Vorgehen 
Englands hat im jetzigen Krieg auch die Staaten, die diese Regeln für 
berechtigt hielten, zu ihrer Preisgabe im Weg der Vergeltung gedrängt. 
Zur Frage der Bestimmung des „Kriegführenden‘® zitiert FIORE den 
Art. 2 des Reglements vom 18. Okt. 1907, der die bewaffnet aufstehende 
Zivilbevölkerung eines vom Feind angegriffenen (noch nicht okkupierten) 
Gebiets den Angehörigen der bewaffneten Macht gleichstellt „wenn sie die 
Waffen offen trägt und die Gesetze und Gebräuche des Kriegs beobachtet“. 
Den letzten Vorbehalt nimmt aber FIORE nicht an (n. 1643); er will das 
natürliche Gefühl der Verteidigung des heimischen Bodens um jeden Preis 
dadurch achten, daß er die bewaffneten Verteidiger unter Kriegsrecht stellt, 
auch wenn sie ihrerseits nicht nach Kriegsgebrauch verfahren. Der Gegensatz 
der Meinungen ist für die Beurteilung der belgischen Vorgänge wichtig; 
ein großer Teil dessen, was hier als deutsche Greuel gegenüber der Zivil- 
bevölkerung in England und Amerika ausgeschrieen wird, fällt allerdings 
nicht unter die FioReEsche Regel, weil es sich nach der Besetzung zutrug 
(Löwen). 
Die Verwendung der Eingeborenentruppen „die den Krieg auf ihre 
Weise führen“, erklärt Fıiore (n. 1466) für unzulässig. Frankreich und 
England fallen nach ihm nicht mehr unter die „Governi di Stato eivile“. 
Für die Freischärler und für das letzte Volksaufgebot macht FiorE die 
Eigenschaft als belligerente davon abhängig, daß sie als organisierte mili- 
tärische Truppe unter einem verantwortlichen Befehlshaber kämpfen, die 
Waffen offen tragen und die Kriegsgebräuche achten (anders als oben 
n. 1472/3). Das weicht von der deutschen Auffassung ab, gehört aber zu 
den Punkten, über die man streiten kann, ohne sich gegenseitig Völker- 
rechtswidrigkeit und Unmenschlichkeit vorzuwerfen. Im jetzigen Krieg ist 
es wohl noch nicht praktisch geworden; eine feindliche Invasion in Eng- 
land würde aber diese Frage sehr brennend machen. 
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXV. 2. 15
	        
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