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Wege der summarischen Jurisdiktion zu erledigen gesucht. Was den eng-
lischen Jugendgerichten ihr besonderes Gepräge gibt, ist weniger eine
Sondergestaltung des Verfahrens, als des Milieus: „der
konstitutionelle Instinkt der Engländer ließ es gegenüber jugendlichen Per-
sonen nicht zu, solch schwerwiegende Beschränkungen der persönlichen
Freiheit, wie sie im Jugendgerichtsverfahren verhängt werden können, zu-
zulassen, ohne die überwiegend gerichtliche Natur des Verfahrens
beizubehalten‘; auch die unbedeutendste Sache erfordert mündliche Ver-
handlung: ein rein schriftliches Verfahren nach Art des deutschen Straf-
befehls oder der polizeilichen Strafverfügung wäre undenkbar: dafür ist
freilich die Urteilsfindung recht schleunig und diskretionär. Bei englischen
Jugendgerichten ist wiederholt das Bestreben aufgetreten, die Gerichtsver-
handlungen aller Zeremonien zu entkleiden und sie in Privaträumen abzu-
halten. Mit Recht wendet sich der Verfasser gegen solche Versuche mit
der Begründung: Die Kinder des Proletariats in Großstädten sind schon
soweit in die Gedankenwelt der niederen Volkskreise hineingewachsen, daß
in ihrer Vorstellung der Begriff der Autorität — nicht nur der ge-
setzlichen, sondern jeder — mit ihrer äußeren Erscheinungsform un-
trennbar verbunden ist: es wäre nicht gut, dem Kind das Gefühl zu neh-
men, daß es sich um eine ernste Sache handelt und daß es mit einer
Autorität zu tun habe.
Beachtenswert sind die eingehenden Darstellungen der Bewahrungs-
heime und der Vollziehung der gegen Jugendliche zulässigen Maßnahmen,
Diese Maßnahmen scheiden sich in solche, die durch Beschluß ange-
ordnet werden können und keinen Strafcharakter tragen und in
solche, die durch Urteil verhängt werden und wirkliche Strafen
sind. Wichtige Maßnahmen der ersten Art sind: das Besserungsgelöbnis
und die Bewährungsaufsicht, Maßregeln, welche in bescheidenem Umfange
auch von einzelnen unserer Jugendrichter anzuwenden versucht werden.
England ist auf dem Gebiete der Bewährung wesentlich weiter voran, weil
diese gerichtliche Maßregel seit längerer Zeit schon auch im Strafverfahren
gegen Erwachsene Anwendung findet, dann aber auch, weil dort in den
größeren Städten das Institut der Probation Officers viel besser ausgebildet
und entwickelt ist, als bei uns das der Schutzaufsicht; freilich scheint der
Verfasser nicht ganz in das uneingeschränkte Lob, mit dem die amerika-
nischen Probation Officers von deutschen Berichterstattern so reichlich be-
dacht werden, einstimmen zu wollen, und dürfte hiezu auch einigen Grund
haben, besonders in den Fällen, in denen die besoldete Aufsichtstätig-
keit in eine von unserer Polizeiaufsicht nicht viel abweichende Ueberwa-
chung ausartet,
Eine eingehende Darstellung finden auch die das Rückgrat einer jeden
Jugendgerichtsbarkeit bildenden Besserungs- und Erziehungs-
anstalten (reformatory and industrial Schools). In England