Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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doch die Grundanlage des Werkes dieselbe geblieben. Es vermeidet 
nach der wohlbedachten Absicht seines Begründers den mit den meisten 
Enzyklopädien verbundenen kompilatorischen Charakter dadurch, daß es, 
statt die Bearbeitung des ungeheuren Rechtsstoffes einer einzigen Feder 
anzuvertrauen, sie auf verschiedene Autoren verteilt, die, jeder in seiner 
Sphäre, den bearbeiteten Stoff vollkommen beherrschen und deshalb in 
der Lage sind, ein übersichtliches Bild ihrer Disziplin auf Grund des gegen- 
wärtigen Standes der Forschung zu bieten. Dabei hat das Anwachsen des 
Stoffes und der Fortschritt der Wissenschaft in der neuesten Auflage ver- 
schiedene Neubearbeitungen einzelner Gegenstände notwendig gemacht; 
und dazu ist noch eine kleine Aenderung in der Anordnung des gesamten 
Stoffes getreten, die wohl als eine bloße Konzession an die augenblickliche 
Bewertung der geschichtlichen Grundlagen unsres geltenden Rechtes in der 
öffentlichen Meinung aufzufassen und insofern ohne tiefere Bedeutung ist. 
Ich denke dabei an das Zurücktreten des römischen hinter das deutsche 
Recht, die erst in der neuen Auflage der KoOHLERschen Bearbeitung durch- 
geführt ist. Indessen ist gottlob mit dieser Aenderung der äußeren Rang- 
ordnung nicht auch eine Zurücksetzung des rörnischen Rechts vom Stand- 
punkt der wissenschaftlichen Bewertung verbunden gewesen. Das Gegen- 
teil ist vielmehr der Fall. Während die Bearbeitungen der verschiedenen 
Materien des deutschen Rechts — mit den durch den Fortschritt der 
Wissenschaft bedingten Aenderungen — dieselben geblieben sind, hat die 
Bearbeitung des römischen Rechts insofern eine erfreuliche Neugestaltung 
erfahren, als neben die bewährte Darstellung der Geschichte des römischen 
Rechts von BRUNS, PERNICE und LENEL und an Stelle des zuletzt von 
MıTTEis bearbeiteten Pandektenrechts (in den älteren Auflagen von BRUNS 
und Eck) ein vollkommen neues System des römischen Rechtes getreten 
ist, das aus der Feder des Göttinger Rechtshistorikers RABEL stammt. 
Dieses will nicht mehr, wie noch der MitTEissche Abriß in der ersten 
Auflage der Neubearbeitung, das moderne Privatrecht römischen Ursprungs, 
eben das sogenannte Pandektenrecht, darstellen, sondern hat das spät- 
klassische Recht zum Gegenstande, also das aus dem Geiste der römischen 
Rechtswissenschaft hervorgegangene Rechtsystem, wie es uns in den vor- 
Justinianischen Quellen entgegentritt und ohne die Veränderungen und 
Verderbungen der byzantinischen Zeit. Diese Darstellung des reinen rö- 
mischen Rechts darf umsomehr begrüßt werden, als sie trotz ihrer Kürze 
doch weit mehr als einen nur kursorischen Ueberblick bietet und auf jeder 
Seite durch ihren Inhalt wie durch Literatur- und Quellenangaben die in- 
nige Durchdringung des Stoffes und vollkommene Beherrschung der mo- 
dernen Forschungsergebnisse erkennen läßt. Leider verbietet mir der 
Raum, bei diesem für den Referenten als Romanisten begreiflicherweise 
besonders interessanten Gegenstande länger zu verweilen. Aber freilich 
entsteht durch diese Beschränkung der Darstellung auf das Recht des
	        
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