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den Raum überschreiten, wenn hier versucht werden sollte, das
englische Verfahren, wie es nach den Vorschlägen von MUNDELLA
und KETTLE sich entwickelt und ausgestaltet hat, mit seinen Ab-
stufungen von negotiation, coneiliation und arbitration, näher
darzulegen‘. Man unterscheidet allerdings zwischen individuellen
und Grafschaftsfragen und versteht unter den ersteren Streitig-
keiten, die sich auf die Auslegung bestenender Verträge beziehen,
unter den letzteren dagegen solche, die eine Neugestaltung des
Arbeitsverhältnisses zum Gegenstande haben, aber man unterwirft
beide Arten demselben Verfahren.
Das deutsche Gewerbegerichtsgesetz von 1890 hat diesen
Fehler vermieden. Es überträgt die Entscheidung in Rechts-
fragen den an die Stelle der ordentlichen Gerichte tretenden G e-
werbegerichten. Diese sollen freilich auch dann mitwirken,
wenn es sich um Interessenstreitigkeiten handelt, aber dann in
einer anderen Zusammensetzung und in einer anderen Form, näm-
lich als Einigungsämter.
Während die Urteile der Gewerbegerichte die beteiligten Parteien
binden und mit Zwangsmitteln vollstreckt werden, hat das Eini-
gungsamt zunächst lediglich auf eine freiwillige Verständigung
hinzuwirken. Allerdings kann es, wenn diese nicht zu erzielen
ist, auch einen Schiedsspruch abgeben, aber ein solcher bedeutet
sachlich nichts anderes, als einen Vergleichsvorschlag, der nur
dadurch eine höhere Autorität erhält, daß das Einigungsamt in
ihm seine Auffassung zur Geltung bringt. Beiden Teilen steht
jedoch durchaus frei, ob sie sich dem Spruche unterwerfen wollen.
IX.
Dieselbe Scheidung zwischen Rechtsfragen und Interessen-
fragen muß auch auf das Gebiet der Streitigkeiten zwischen meh-
reren Staaten übertragen werden.
ı Eine Darstellung des in England üblichen Verfahrens zur Beilegung
gewerblicher Streitigkeiten habe ich in meinem Buche „Die Berufsvereine“
Band IV S. 125f. gegeben.