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Der Gesetzesstaat und die Eimpirie.
von
Dr. FRIEDRICH TEZNER.
I. Um die richtige Stellung in der verwirrenden Kontroverse
zwischen der Lehre vom Gesetzesstaat und jener von der freien
Rechtsfindung zu gewinnen, wird man die Forderung nach der
aufgestellten Rechtsnorm als einzigem Maßstab der Recht-
mäßigkeit alles Tuns und Lassens der empirischen Gestal-
tung des Rechtslebens gegenüberstellen müssen.
Vom logisch formalen Standpunkt betrachtet, kann es keinem
Zweifel unterliegen, daß das Maß vor dem zu Messenden da sein
muß und daß darum Rechtmäßigkeit nur an einem bereits
bestehenden Rechte, also nur an der präformierten Rechtsnorm
gemessen werden kann.
Die ersten Zweifel in Betreff der Bedeutung dieser Forde-
rung und in Betreff ihrer Erfüllbarkeit entstehen aber schon in
der Richtung, welches Maß von Schärfe des Ausdrucks
gefordert werden muß, um den Bestand einer Norm zuzugeben?
Schon hierüber geben uns die Privatrechts- und Strafrechtskodi-
fikationen, die sich allein mit dieser Frage befassen, mittels ihrer
Auslegungsregeln ganz allgemeine Anweisungen, die selbst wieder
Probleme in sich bergen. Das führt zur fortschreitenden Ent-
wicklung von Auslegungsregeln, die dem Gesetze völlig unbe-