Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

— 280 — 
sätze als selbstverständlichen Willen des Staates, so wırd 
hiedurch im praktischen Erfolge die Kluft zwischen der Gesetzes- 
staatstheorie und der Lehre von der freien Rechtsfindung erheb- 
lich verengert. 
Ob ich die Zulässigkeit der Auslegung von Verfassungs- und 
Verwaltungsgesetzen aus dem Wesen des Gesetzes, als unver- 
meidlich unvollkommenen Ausdrucks des Willens des Staates °, 
die Ausnahme der Truppenmärsche von den gesetzlichen Bestim- 
mungen über öffentliche Aufzüge, des militärischen Brückenschlags 
von den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes als mit der Ein- 
richtung des Heerwesens vom Staate gewollt, somit von ihm 
selbst als rechtmäßig erklärt oder mittels freier Rechts- 
findung als rechtmäßig befunden und’erkannt betrachte, bleibt 
sich im praktischen Effekte gleich, wenn über die Beantwortung 
dieser Rechtsfragen Einigkeit besteht. Die Gesetzgebung selbst 
operiert mit Selbstverständlichkeit, wenn sie beispielsweise 
wie $ 56 des österr. Einquartierungsgesetzes vom 25. Juni 1895 RGBl. 
Nr. 100 der Heeresverwaltung das nirgends festgesetzte Recht 
der Benützung von Grundflächen zu Schießübungen wahrt, wenn 
sie die Einquartierungslast aus Anlaß von Truppenmärschen, wenn 
sie Schadenersatzansprüche aus Feldbeschädigungen infolge mili- 
tärıscher Uebungen regelt, ohne an irgend einer Stelle Märsche 
und Uebungen für rechtmäßig und zulässig zu erklären. Praktisch 
ist die Annahme eines selbstverständlichen Staatswillens durch die 
Gestaltung des konstitutionellen Lebens zu einer außerordentlichen 
Tragweite gelangt. Wo die konstitutionelle Gesetzgebung, wie 
dies beispielsweise in Oesterreich der Fall ist, sich mit der bloßen 
Aufstellung des Grundsatzes begnügt hat, daß jede Rechtsverord- 
nung auf einer gesetzlichen Ermächtigung gegründet sein müsse, 
ohne gleichzeitig zu einer durch die Unentbehrlich- 
2 Vgl. KeLsen, Hauptprobleme des Staatsrechts (1911) S. 508, 510, 513, 
OrTo MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht I (1895) S. 79. 
® WALTER JELLINER a. a. O. S. 162.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.