Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Mann, der immer seine überlegene Frau sagen läßt, 
was seine Meinung sei. Die Ermessensübung ist auch 
nichts anderes als Aufstellung einer Norm für den konkreten 
Fall ad actum an Stelle einer feststehenden Norm a priori, nach 
der sich der Einzelne zu richten vermöchte und deshalb ein Mo- 
ment ganz außerordentlicher, mit dem Ideal des 
Gesetzesstaatesschlechthin unvereinbarer Rechts- 
unsicherheit. Dessen wird jeder inne, der sich von nam- 
haften Fachmännern um hohes Honorar ein Projekt für ein be- 
willigungsbedürftiges Wasserwerk ausarbeiten läßt und dessen- 
ungeachtet keine Sicherheit besitzt, daß es durch die zuständige 
Behörde vom technischen Standpunkt für zulässig werde er- 
klärt werden. Die Unsicherheit besteht aber im gleichen Maße 
für das zur Uebung des Ermessens berufene staatliche Organ. 
Es ist ihm ganz allgemein anheimgestellt, „sieh die Kenntnis der 
Gesetze, welche die Dinge der Außenwelt sowie das individuelle 
Dasein beherrschen, sie seien physikalische, wirtschaft- 
liche, soziale Gesetze zu verschaffen, die auf den maßgeben- 
den Wissensgebieten gesammelten Erfahrungen wie die Erfah- 
rungen des täglichen Lebens sich zu nutze zu machen, selb- 
ständig Erkenntnisse zu gewinnen“ ’. Hier ist das größte Ge- 
biet des amtlichen Handelns auf eigene Gefahr, soferne es 
sich um die wirksame Bekämpfung von Gemeinschädlichkeiten 
auf Grund allgemeiner Weisung handelt, deren unzulängliche 
Durchführung mitunter, wie dies der denkwürdige Fall des Wiener 
Ringtheaterprozesses beweist, die strafgerichtliche Verfolgung hie- 
für berufener Beamten zur Folge haben kann. So besteht in 
weitem Umfang die Pflicht und die rechtliche Nötigung, nach 
ungeschriebenen Normen auf eigene Gefahr zu suchen. 
VI. Was aber die sogenannnten bestimmten Normen an- 
  
° TEZNER, Die deutschen Theorien der Verwaltungsrechtspflege (1901) 
S. 230. Vgl. hiezu nunmehr WALTER JELLINEK, Gesetz, Gesetzanwendung 
und Zweckmäßigkeitserwägung 8. 59, 631.
	        
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