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das die Kammern der Aufsicht des Handelsministers unter-
stelle. Im Einvernehmen mit der Kammer bedeute darum nicht
mehr als nach Vernehmung der Kammer. Hier ergibt also die
Auslegung, daß auch eine einer Körperschaft wider ihren Willen auf-
erlegte, oktroierte Örganisationsordnung im Sinne des Gesetzes
als einverständlich aufgestellte betrachtet werden könne! Das
österr. allgem. bürg. Gesetzbuch schreibt im 8 36 vor, daß ein
von einem Ausländer mit einem Oesterreicher in Oesterreich ein-
gegangenes wechselseitig verbindliches Geschäft ohne Ausnahme
nach diesem Gesetze zu beurteilen sei. Die Auslegung erklärt
diese Fassung einmütig als jus dispositivum. Im $ 709 desselben
Gesetzes wird kurz und bündig angeordnet, daß der Modus oder
der „Auftrag“ wie ihn das Gesetz nennt, als auflösende Be-
dingung anzusehen sei derart, daß durch die Nichterfüllung
des Auftrags die letztwillige Zuwendung verwirkt werden solle.
Die Auslegung läßt allgemein im Falle der Nichterfüllung doch
auch die Klage auf Erfüllung zu. Die österreichischen Landes-
ordnungen fordern für Zuschläge zu den direkten Staatssteuern
für Zwecke des Landes einen Beschluß des Landtags und die
Genehmigung des Kaisers. Theorie und Praxis erklären für den
Fall der Dringlichkeit den Landtagsbeschluß entbehrlich,
jenen ds Landesausschusses ausreichend. Dieselben Lan-
desordnungen erklären zu jedem Landesgesetz die Zustimmung
des Landtags erforderlich. Die Auslegung des österr. Ver-
waltungsgerichtshofes fügt hinzu: „mit Ausnabme des Falles, daß
sich der Landtag infolge hartnäckiger Obstruktion im Zustande
der Wirkungsunfähigkeit befindet“. Diese Beispiele souverain mit
dem Gesetzestext verfahrender wenn auch höchst vernünftiger
Auslegungen lassen sich reichlich vermehren. Welche Rolle die
Fiktionen in der englischen Rechtsprechung und selbst in der
Auslegung der Verfassung spielen, wie z. B. die Flucht Jakob II
als Thronverzicht ausgelegt wird, wie spitzfindig und haarspalte-
risch die Talmudische Auslegung vorgeht, ist allgemein bekannt.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXV. 3, 20