Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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von den Grenzen der Leistungsfähigkeit der juristischen Methode 
und von den Gründen ihrer Beschränktheit. Die empirische Be- 
trachtung allein und nicht die juristische Methode, die nieht zu 
hindern vermag, daß der originäre Rechtssatz mindestens das 
Gesetz für denkonkreten Entscheidungsfall bildet und 
daß Spruchsammlungen, Sammlungen von Präzedenzfällen der par- 
lamentarischen Praxis für das Reehtsleben die gleiche Bedeutung 
besitzen wie Gesetzessammlungen, eröffnet uns den Einblick in 
das Wesen der Rechtsprechung und der Rechtsübung und läßt 
uns die außerordentlichen Gefahren der Forderung erkennen, daß 
alles staatliche Handeln und Exequieren unterbleiben muß, oder 
staatswidrig ist, wenn es nicht auf einen bereitgestellten Rechts- 
satz zurückgeführt werden kann. Sie läßt uns diese Forderung 
als obligatio impossibilis erkennen, der keine geschichtliche 
Epoche Genüge zu leisten vermochte und menschlicher Voraus- 
sicht nach niemals Genüge leisten wird. Sie eröffnet uns den Blick 
für die außerordentlich kulturelle und gütererhaltende Funktion 
der originären Rechtsprechung, die sich sehr anschaulich an dem 
Spruche des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs bewährt hat, 
daß der Staat nicht verpflichtet, ist, vor dem Korybantentum 
einer verwegenen und frevlerisch obstruierenden parlamentari- 
schen Partei zu kapitulieren. Solche staatsgefährliche Obstruk- 
tion mag die juristische Methode in Verlegenheit bringen, gegen- 
über der Rechtsprechung wird es ihr zum Glück nicht gelingen. 
Denn der Geist der Rechtsprechung und der originären auf prä- 
stabilisierte Rechtsnormen nicht rückführbaren Rechtsübung ist 
ein Geist, der schafft am laufenden Webstuhl der Zeit und wirket 
des Rechtes lebendiges Kleid. Deshalb können wir auch darüber 
beruhigt sein, daß im gegebenen Falle die Regentschaftsfrage für 
die österreichisch-ungarische Monarchie ihre rechtliche Lösung 
erfahren würde, ungeachtet sie nirgends gesetzlich vorgesehen und 
auch der dynastische Faktor nicht bestimmt ist, der an Stelle des 
regierungsunfähigen Monarchen zur Teilnahme an der gesetz- 
liehen Lösung: zuständig sein soll. 
 
	        
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