Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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reich nahmen es hin; aber kaum aus Interesse für das Wohl des belgischen 
Staats, sondern nur um es zum eigenen Besten auszunützen. 
Das Bild, das FRANK von der belgischen Neutralität entwirft, ist des- 
halb so klar, weil es mit wenigen Strichen die politische Geschichte und 
ihre Entwicklung für diesen Staat skizziert —; in ihnen ruhen die Trieb- 
federn für das, was uns als Neutralitätsbruch erschien. Ohne sie begreift 
man nur die Hälfte des letzten Geschehens. — 
Ihr reiht sich in der Schrift FRAnks eine Darstellung der verschiedenen 
französischen und belgischen Auslegungsarten für die belgische Neutralität 
und die hieraus resultierenden Pflichten an. Hier zeigt sich, was wir oben 
bereits andeuteten: unterstützt durch die Juristen und Militärs verfolgt die 
Regierung das Ziel, ihre Handlungsfreiheit auszudehnen. So gelangt man 
zu dem Schluß: die Neutralisation bindet nur für den Krieg, nicht aber 
während der Zeit des Friedens. Daß man demgegenüber mit FRANK von 
vorneherein im Ergebnis übereinstimmt, daß eine solche Auslegung des 
Neutralisationsvertrages den Sinn desselben auf den Kopf stellt, bedarf 
kaum weiterer Ausführung. Nur dürfte überhaupt die ganze Unterschei- 
dung zwischen Krieg und Frieden in dieser Frage fortfallen. Die Pflicht 
zur Neutralität, die aus der Neutralisierung folgt, ist eine allgemeinere! 
So sehr es geradezu falsch ist, die Neutralitätspflicht auf die Zeit des 
Krieges zu beschränken, so wenig braucht man zu betonen, daß sie auch 
für den Frieden besteht. Sie dokumentiert sich einfach als die allgemeine 
Verpflichtung, jegliche Unternehmung zu unterlassen, die für den Fall 
eines Krieges als Neutralitätsverletzung anzusehen oder hierauf gerichtet 
ist. Der Krieg spielt in dieser Frage nur insofern eine Rolle, als mit seinem 
Beginn die Entscheidung zum Zuge kommt, ob der neutralisierte Staat eine 
Neutralitätsverletzung wirklich beging oder nicht. 
Die prinzipiellen Ausführungen FRANKs beruhen für die behandelte 
Materie auf der allgemeinen wissenschaftlichen Meinung. Sie sind kritischer 
Natur nur, soweit es der Widerlegung der unhaltbaren, tendenziös-politi- 
schen Auslegungen für die Neutralitätspflicht Belgiens bedarf. Ihnen ist 
auch insoweit ausnahmslos zuzustimmen : sie führen vom wissenschaftlichen 
Standpunkt die moderne französisch-belgische Anschauung von der belgi- 
schen Neutralität ad absurdum. 
Das Bedeutsame der FrAnk&schen Arbeit liegt in dem auf historisch- 
wissenschaftlicher Grundlage strikt geführten Nachweis, daß nicht das 
Deutsche Reich, sondern Belgien einen Neutralitätsbruch beging, der frei- 
lich erst mit Beginn des Weltkrieges in die Erscheinung trat. Daß FRANK 
hierfür nicht das gesamte Material heranziehen konnte, das jetzt vielleicht 
vorliegt, beeinträchtigt den Wert der Arbeit keinesfalls. 
Bremen. Dr. jur. Alexander Lifschütz.
	        
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