Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Die Bestellung ist tatbestandsverändernd?; sie stellt einen 
Tatbestand her, der staatlich normiert ist: das Amt des Vormun- 
des. Da sie eine unmittelbare Neuordnung der Lebensverhältnisse 
bezweckt, kann die Bestellung weder unter einer Bedingung, noch 
unter einer Zeitbestimmung erfolgen. Wohl aber kann bei ihr die Ent- 
lassung für den Fall vorbehalten werden, daß ein bestimnites Er- 
eignis eintritt, oder nicht eintritt ($ 1790 BGB.). 
Die Bestellung, so behaupten wir, ist ein vom Staate aus- 
gehender Verwaltungsakt, wobei wir unter der Funktion des „Ver- 
waltens“ die Fürsorgetätigkeit des Staates für die idealen und 
materiellen Güter der Nation verstehen wollen. 
Nun können sich aber die tatbestandsverändernden Akte der 
Staatsverwaltung offenbar nur auf die öffentliche Rechtsordnung 
beziehen. Das Vormundschaftsrecht jedoch ist dem Privatrechts- 
system eingeordnet. Gleichwohl hat das deutsche Vormund- 
schaftsrecht öÖffentlich-rechtliche Natur‘. 
® Die Tatbestandsveränderung ist diejenige Tätigkeit des 
„HRechtsstaates“, die man gewohnt ist als Verwaltung i. e. S. zu bezeichnen, 
und die der Tatbestandsnormierung (Gesetzgebung) einerseits, 
der Tatbestandsverwirklichung (Rechtsanwendung) andererseits 
gegenübersteht. A. A. OETKER, Konkursrechtliche Grundbegriffe I (1891), 
S. 23 ff., 32, der auch die Rechtsanwendung zu der tatbestandsverändern- 
den Tätigkeit des Staates rechnet, da sie auf die „Herstellung eines rechts- 
entsprechenden Zustandes“ gerichtet sei (darüber unten $ 4zu N. 55). Wenn 
hier die Bestellung „tatbestandsverändernd“ genannt wird, so setzt sich 
diese Begriffsbestimmung in bewußten Gegensatz zu dem gemeinhin als 
„rechtsgestaltend“ bezeichneten Wesen der Verfügungen der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit. Dies ist die Auffassung von: WaAcH, Hdb. des deutschen 
Zivilprozeßrechts I (1885), $ 6 S. 46ff,, 61; HerLwıG, System I, $ 21 
S. 58, 57; DORNER, Verfahren, in HOLTZENDORFF-KOHLER Ill. Bd. (1913), 
$S 1 S. 407. Dazu unten 8. 421 N. 124, 
s Weiter geht OETKER I S. 31; mit ihm KoRMANnNnN, System d. rechts- 
geschäftl. Staatsakte (Verwaltungs- und prozeßrechtliche Untersuchungen 
zum allgemeinen Teil des öffentlichen Rechts. Berlin 1910) S. 6. 
* Vor allem GLAESSING in seinem grundlegenden Aufsatz im ArchöffR. 
XVL Ba. Heft 2 (1901) S. 161 ff.; Heft 3 8. 425; dagegen unterstellt Span 
S. 239 die Vormundschaft, wenngleich sie im allgemeinen Interesse geübt 
wird, dem Privatrecht. 
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