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Die Bestellung ist tatbestandsverändernd?; sie stellt einen
Tatbestand her, der staatlich normiert ist: das Amt des Vormun-
des. Da sie eine unmittelbare Neuordnung der Lebensverhältnisse
bezweckt, kann die Bestellung weder unter einer Bedingung, noch
unter einer Zeitbestimmung erfolgen. Wohl aber kann bei ihr die Ent-
lassung für den Fall vorbehalten werden, daß ein bestimnites Er-
eignis eintritt, oder nicht eintritt ($ 1790 BGB.).
Die Bestellung, so behaupten wir, ist ein vom Staate aus-
gehender Verwaltungsakt, wobei wir unter der Funktion des „Ver-
waltens“ die Fürsorgetätigkeit des Staates für die idealen und
materiellen Güter der Nation verstehen wollen.
Nun können sich aber die tatbestandsverändernden Akte der
Staatsverwaltung offenbar nur auf die öffentliche Rechtsordnung
beziehen. Das Vormundschaftsrecht jedoch ist dem Privatrechts-
system eingeordnet. Gleichwohl hat das deutsche Vormund-
schaftsrecht öÖffentlich-rechtliche Natur‘.
® Die Tatbestandsveränderung ist diejenige Tätigkeit des
„HRechtsstaates“, die man gewohnt ist als Verwaltung i. e. S. zu bezeichnen,
und die der Tatbestandsnormierung (Gesetzgebung) einerseits,
der Tatbestandsverwirklichung (Rechtsanwendung) andererseits
gegenübersteht. A. A. OETKER, Konkursrechtliche Grundbegriffe I (1891),
S. 23 ff., 32, der auch die Rechtsanwendung zu der tatbestandsverändern-
den Tätigkeit des Staates rechnet, da sie auf die „Herstellung eines rechts-
entsprechenden Zustandes“ gerichtet sei (darüber unten $ 4zu N. 55). Wenn
hier die Bestellung „tatbestandsverändernd“ genannt wird, so setzt sich
diese Begriffsbestimmung in bewußten Gegensatz zu dem gemeinhin als
„rechtsgestaltend“ bezeichneten Wesen der Verfügungen der freiwilligen
Gerichtsbarkeit. Dies ist die Auffassung von: WaAcH, Hdb. des deutschen
Zivilprozeßrechts I (1885), $ 6 S. 46ff,, 61; HerLwıG, System I, $ 21
S. 58, 57; DORNER, Verfahren, in HOLTZENDORFF-KOHLER Ill. Bd. (1913),
$S 1 S. 407. Dazu unten 8. 421 N. 124,
s Weiter geht OETKER I S. 31; mit ihm KoRMANnNnN, System d. rechts-
geschäftl. Staatsakte (Verwaltungs- und prozeßrechtliche Untersuchungen
zum allgemeinen Teil des öffentlichen Rechts. Berlin 1910) S. 6.
* Vor allem GLAESSING in seinem grundlegenden Aufsatz im ArchöffR.
XVL Ba. Heft 2 (1901) S. 161 ff.; Heft 3 8. 425; dagegen unterstellt Span
S. 239 die Vormundschaft, wenngleich sie im allgemeinen Interesse geübt
wird, dem Privatrecht.
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