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lichen Bestellung einen obrigkeitlichen Akt von rein staatsrecht-
licher Bedeutung zu erblicken '*.
Aus der Stellung der Vormundschaftsbehörde, als dem Organ
des Inhabers des den Untertan überragenden Imperiums, bei der
Vornahme der Bestellung ergibt sich ohne weiteres die Einseitig-
keit des Bestellungsakts. Das Amt des Vormundes beruht ebenso-
wenig auf einem Vertrage zwischen Vormund und Gericht!!, wie
das Staatsbeamtenverhältnis oder der Zwangskauf bei der Ent-
eignung oder die Naturalisation auf einem Vertrage des Betroffe-
nen mit dem Staate beruht. Insbesondere aber darf die sog.
„Zweiseitigkeit“ des Bestellungsakts !?, d. h. das Formerfordernis
der Zustimmung des Beteiligten, nicht dazu führen, von einer frei-
willigen Uebernahme des Amtes durch den Vormund, also von
einem privaten Vertrage, auszugehen. Denn, was hinzutreten muß,
um die Willensübereinstimmung zum Vertrage zu erheben, ist die
rechtliche Gleichwertigkeit der beteiligten Willen;
sie aber gerade fehlt nach der modernen staatsrechtlichen Auf-
fassung in dem Verhältnis zwischen Untertan und Staatsbehörde.
Diese Erkenntnis kann auch der Wortlaut des Gesetzes in 8 1785:
„Jeder Deutsche hat die Vormundschaft .... zu übernehmen“
nicht verwirren. Denn wollte man aus dem „Uebernehmen‘“ auf
eine Rechtspflicht jedes Deutschen zur Vornahme dieses privaten
Rechtsgeschäfts schließen, so käme man zu einer dem Privatrecht
fremden vollständigen Bindung des freien Geschäftswillens !?.
8 1785 stellt aber eine Rechtspflicht zur Dienstleistung dar; jeder
Untertan ist zur staatlichen Dienstleistung durch Uebernahme von
Vormundschaften verpflichtet. Und diese Rechtspflicht kann
nach $ 1787 IL (nicht durch $ 1788, der nur Ordnungsstrafen an-
10 So vor allem GLAESSING S. 432. KoRMAnNN S, 106.
ı So auch SPAHN S. 205; GLAESSING S. 432.
12 Von der Kıpr, Das Familienrecht $ 109, I S. 401, wohl auch im
Sinne eines Vertrages spricht ?
18 KORMANN 8. 47.
14 LABAND, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 5. Aufl. (1911) I,
433. GLAESSING, S. 435.