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Wenn wir uns daher im folgenden mit der Frage nach der
Verbindlichkeit eines sachlich unrichtigen vormundschaftsge-
richtlichen Bestellungsakts beschäftigen wollen, so muß dieser,
damit überhaupt die Frage nach seinem Inhalt erlaubt ist, alle
formalen Grunderfordernisse erfüllt haben. Nur von der ver-
fahrensgemäß ergangenen, d.h. formell gültigen Be-
stellung, ist daher die Rede.
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2. Die materiell ungerechtfertigte (ungesetz-
liche) Vormundsbestellung.
Materiell ungerechtfertigt oder ungesetzlich nennen wir die
Vormundsbestellung, wie jede gerichtliche Verfügung, dann, wenn
sie mit der in Wirklichkeit bestehenden materiellen Rechtslage in
Widerspruch steht“. Dieser Widerspruch kann beruhen auf
mangelnder Rechtskenntnis oder unrichtiger tatsächlicher Beurtei-
lung der Lebensvorgänge. Zwar darf die Behörde das Unrecht
nicht zum Recht erheben, aber sie kann doch irren und durch eine
sachlich unrichtige Entscheidung in Streitfällen oder durch eine
ungerechtfertigte Verfügung dort, wo sie rechtsfürsorgend der
Privatrechtsordnung dient“, das im Gesetz verkörperte Recht ver-
letzen. Wenn auch diese Möglichkeit nieht nur eine vorstellbare,
sondern sicher eine nicht selten vorhandene ist, so darf sie doch
nicht zu dem Glauben verleiten, daß das geltende Recht noch,
wie einst das römische und heute das englische, eine Zweiung der
Privatrechtsordnung in zwei ineinander wirkende Rechtssysteme
nachprüfen, nicht aber, ob sie materiell gerechtfertigt war. Vgl. JosErF in
ZZP. Bd. 35, S. 541.
#6 Oder wie Wach es in ZZP. Bd. 32, S. 32 für das unrichtige Urteil
ausgedrückt hat: „bei der eine Diskrepanz zwischen Urteilsinhalt und histo-
rischer Wahrheit vorliegt“. Vgl. auch KoRMANnNN, S. 49.
4 Daß das Verfahren der FGG. ein Rechtsfürsorgeverfahren ist, haben
insbesondere klargestellt: WacH, Hdb. 18 68. 47 fi, S. 61; R. ScHMipT,
Lehrb. $ 28 S. 168; HeuLwıe, System I $ 21 S. 53ff,; DORNER, Enzykl.
II 8 1 S. 407ff.; vor allem aber OERTKER a. a. O. IS. 20, 23.