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zulasse*®, ın Gesetzes- und Gerichtsrecht. Eine solche Mehrheit
der Privatrechtsordnungen innerhalb des Staatsgebiets ist uns viel-
mehr fremd. Ihre Unzulässigkeit folgt unmittelbar aus der Ver-
teilung der Gewalten. Auch dem Gerichtsgebrauch kann darum
rechtserzeugende Kraft nicht zukommen; zwar kann der Richter
durch die Begriffsentwicklung und die Kunst der Auslegung vor-
handene, aber nicht ausdrücklich ausgesprochene Rechtssätze auf-
decken, nicht aber aus eigener Kraft Normen schaffen“. Denn,
würden die gesetzwidrigen Entscheidungen und Verfügungen mit
dem Anspruch auftreten, riehtiges Recht zu sein, oder wäre das
Urteil mehr als ein Ausspruch des Richters über die Anwendung
der Rechtssätze auf einen bestimmten Tatbestand, wäre, wie ÖET-
KER behauptet, das Urteil ein Rechtssatz im weiteren Sinne, eine
Individualnorm, so würde der Richter zum Gesetzgeber werden,
und wir hätten in der Tat richterliches Recht neben dem in Ge-
setz und Rechtsverordnung verkörperten. Daß sich daraus noch
nicht immer die absolute Nichtigkeit der sachlich unrichtigen An-
ordnung zu ergeben braucht, folgt aus andern Gründen und wird
später zu behandeln sein°®. Wohl aber ergibt sich aus dem Voran-
gegangenen die Unhaltbarkeit der von den Prozessualisten für das
rechtskräftige richterliche Feststellungs- und Leistungsurteil be-
haupteten Konstitutivkraft, den in Wahrheit nicht vorhandenen
Anspruch selbst materiellrechtlich zur Entstehung zu bringen®".
Denn der Richter kann eben nicht, wie PAGENSTECHER? be-
hauptet, die Unwahrheit zur Wahrheit machen, und Wachs 5°
“ 4 Kosuer, Lehrb. des Bürg. Rechts (1906) Bd. I 8. 29, 31. (Der dop-
pelten Rechtsordnung von quiritischem und honorarischem Recht in Rom
steht die Scheidung von law und equity in England gegenüber.)
4 v, Liszt, Lehrb. des Deutschen Strafrechts, 18. Aufl. 1911 $ 18 S. 95/96;
&. A. LoENIn@ in ZStW, 3. 320.
50 Vgl. unten $ 7.
51 Darüber näheres bei KuTTner, Die privatrechtl. Nebenwirkungen
der Zivilurteile (FiSCHeRs Abhandlungen XVI, Heft 2. München 1908),
S. 186 ff. und 187 N, 7.
62 PAGENSTECHER, Materielle Rechtskraft (1905), S. 305.
53 WaoH, Zur Lehre von der Rkraft (1899) S. 65; derselbe in ZZP. 32,