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Gesetz verletzen, die gesetzwidrige Vormundsbestellung vornehmen:
Dies dann, wenn der Richter, obgleich er weiß, daß es an
den gesetzlichen Voraussetzungen fehlt, über einen Volljährigen
oder einen unter elterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen
einen Vormund setzt.
Während das Falschdenken eine verzeihbare menschliche
Schwäche ist, kann das Falschwollen nicht ungeahndet
bleiben ®.
Aber nicht nur im Denken und Wollen kann das Staatsorgan
irren und unter Verletzung des Gesetzes eine materiell ungerecht-
fertigte Vormundsbestellung vornehmen, sondern auch bei der
Kundmachung derselben. Zwischen Kundgebungswillen und Kund-
machung kann eine Diskrepanz bestehen. Wir sprechen hier von
einem Mangel des Erklärungswillens (im Gegensatz zu einem
Mangel des Erfolgswillens).
Beispiel: Das Vormundschaftsgerieht ordnet über den nicht
unter elterlieher Gewalt stehenden oder wegen Geisteskrankheit
entmündigten volljährigen Anton Müller die Vormundschaft an.
Bei der Abnahme des Handschlags verpflichtet der Richter den
Vormund zu treuer Fürsorge für den längst volljährigen Au-
‚gust Müller °. .
Wenn auch der Richter fehlerlos denkt und will und erklärt,
6° Darüber ist zum Schluß in $ 20 gehandelt.
68 Der Vormundschaftsrichter wollte eine Erklärung dieses Inhalts nicht
abgeben, wohl aber wollte er sie dem erreichten Adressaten, dem Vormund,
gegenüber kundtun. Sein Irrtum bezieht sich also nicht auf die Person
des Geschäftsgegners, sondern auf den Geschäftsinhalt selbst. Da-
nach ist jedenfalls die Bekanntmachung, da sie dem „Betroffenen“ gegen-
über erfolgt ist ($ 16, I FGG.) wirksam; ob der Bestellungsakt selbst wirk-
sam oder unwirksam ist, ist eine andere Frage. Es sei schon an dieser
Stelle darauf hingewiesen, daß, wenn schon im Privatrecht der Irrtum nur
Anfechtbarkeit und keine Nichtigkeit bewirkt, noch weit mehr im öffent-
lichen Recht, wo die Form eine viel größere Bedeutung gegenüber dem
Inhalt hat, auch der förmlichen Erklärung eine größere Bedeutung gegen-
über dem nicht erklärten Willen zukommen muß: vgl. KoRMAnNN a. a. 0.
S. 302.