Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Gesetz verletzen, die gesetzwidrige Vormundsbestellung vornehmen: 
Dies dann, wenn der Richter, obgleich er weiß, daß es an 
den gesetzlichen Voraussetzungen fehlt, über einen Volljährigen 
oder einen unter elterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen 
einen Vormund setzt. 
Während das Falschdenken eine verzeihbare menschliche 
Schwäche ist, kann das Falschwollen nicht ungeahndet 
bleiben ®. 
Aber nicht nur im Denken und Wollen kann das Staatsorgan 
irren und unter Verletzung des Gesetzes eine materiell ungerecht- 
fertigte Vormundsbestellung vornehmen, sondern auch bei der 
Kundmachung derselben. Zwischen Kundgebungswillen und Kund- 
machung kann eine Diskrepanz bestehen. Wir sprechen hier von 
einem Mangel des Erklärungswillens (im Gegensatz zu einem 
Mangel des Erfolgswillens). 
Beispiel: Das Vormundschaftsgerieht ordnet über den nicht 
unter elterlieher Gewalt stehenden oder wegen Geisteskrankheit 
entmündigten volljährigen Anton Müller die Vormundschaft an. 
Bei der Abnahme des Handschlags verpflichtet der Richter den 
Vormund zu treuer Fürsorge für den längst volljährigen Au- 
‚gust Müller °. . 
Wenn auch der Richter fehlerlos denkt und will und erklärt, 
6° Darüber ist zum Schluß in $ 20 gehandelt. 
68 Der Vormundschaftsrichter wollte eine Erklärung dieses Inhalts nicht 
abgeben, wohl aber wollte er sie dem erreichten Adressaten, dem Vormund, 
gegenüber kundtun. Sein Irrtum bezieht sich also nicht auf die Person 
des Geschäftsgegners, sondern auf den Geschäftsinhalt selbst. Da- 
nach ist jedenfalls die Bekanntmachung, da sie dem „Betroffenen“ gegen- 
über erfolgt ist ($ 16, I FGG.) wirksam; ob der Bestellungsakt selbst wirk- 
sam oder unwirksam ist, ist eine andere Frage. Es sei schon an dieser 
Stelle darauf hingewiesen, daß, wenn schon im Privatrecht der Irrtum nur 
Anfechtbarkeit und keine Nichtigkeit bewirkt, noch weit mehr im öffent- 
lichen Recht, wo die Form eine viel größere Bedeutung gegenüber dem 
Inhalt hat, auch der förmlichen Erklärung eine größere Bedeutung gegen- 
über dem nicht erklärten Willen zukommen muß: vgl. KoRMAnNN a. a. 0. 
S. 302.
	        
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