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Wenn auch Grundsätze allemal keines Beweises bedürftig sind,
so ist hier doch die Behauptung, daß überhaupt ein solcher Grund-
satz besteht, beweisbedürftig. Diesen Beweis führen wir mit dem
Hinweis auf die Tatsache, daß der Gesetzgeber, indem er grund-
sätzlich die Geltendmachung der Gesetzwidrigkeit einer Verfügung
auf den Weg der Rechtsmitteleinlegung verweist, die Verfügung
so lange auf sich selbst bestehen läßt, bis sie auf dem Wege der
Anfechtung wieder beseitigt wird®. Zwar darf sich auch das
Staatsorgan nicht über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen,
es kann es jedoch, irrtümlich und dolos, und mit dieser Mög-
lichkeit hat der Gesetzgeber zu rechnen. Die Rechtsmittel geben
es dem Verletzten ohne weiteres in die Hand, die gesetzwidrige
richterliche Anordnung umzustoßen: bis er sich aber ihrer bedient,
bleibt auch die unter Durchbrechung von Rechtsvorschriften er-
gangene Verfügung in Kraft. Das hat wiederum seinen tiefsten,
nur mit der praktischen Vernunft zu begreifenden Grund darin,
daß die Staatsmaschine schnell und sicher arbeiten und jede
Rechtsunsicherheit aufs peinlichste vermeiden muß”. Rascher
Entschluß und rascher Erfolg ermöglichen allein die Wahrneh-
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der Rückwirkung S8. 50, 32 und 58, wo HELLWwIG das publizistische Wesen
des Grundsatzes treffend hervorhebt. KORMANN S. 199, 217 £&.; W. JELLINEK
S. 79 („Für die Gültigkeit des staatlichen Akts spricht im Gegensatz zum
privatrechtlichen eine jederzeit widerlegbare Vermutung‘). JosEF in ZZP.
Bd. 30 S. 110 und ZZP. Bd. 35, S. 530, 542, der den Grundsatz aus einer dem
$ 32 FGG. stillschweigend zugrunde gelegten Rechtsansicht gewinnt; als
Ausnahme von diesem Prinzip hebt er richtig (S. 115) die Nichtigkeitsnorm
des & 1780 BGB. hervor. Unger in ZZP. Bd. 34, S. 323—330.
82 KORMANN S. 217.
83 Der handelnde Staat will mit seiner Verfügung zunächst einen Rechts-
erfolg herbeiführen. Er kann aber nur dann tatbestandsverändernd ein-
greifen, wenn jeder sich darauf verlassen darf, daß der geplante Erfolg
zunächst einmal eingetreten ist, mag er auch nachher wieder wegfallen.
Daher sind Pendenzverhältnisse dem Öffentlichen Recht
grundsätzlich fremd: HELLwıG, Grenzen der Rückwirkung (Gießener
Festschrift, 1907) S. 27; ARON in ZZP. Bd. 27, S. 326. Insbesondere muß
auch die öffentlich-rechtliche Vormundschaft nur mit sicheren Verhältnissen
rechnen: ENDEMANN S. 787.
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