Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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eine Fähigkeit. Der Richter gibt lediglich dem Vormund 
sein Amt und versetzt ihn dadurch in eine Rechtslage, mit der 
das Gesetz seinerseits ein Gewaltverhältnis eigener Art 
mit individualisierten Rechten und Pflichten verbindet !?”. Alle 
Bestimmungen des Gesetzes, die von den Rechten und Pflichten 
des Vormundes sprechen, haben zur notwendigen Voraussetzung, 
daß eine wirksame, d. h. verfabrensgemäße Vormundsbestellung 
ergangen ist, daß also jemand da ist, dem die Rechte verliehen, 
die Pflichten auferlegt werden können. Wie die Vollmacht auf 
einer Willenserklärung, der Bevollmächtigung, als Tatbestand ba- 
siert!®, ist hier der gültige obrigkeitliche Bestellungs- 
akt der gesetzlich festgelegte Tatbestand", auf dem 
die Vertretungsmacht des Vormundes beruht. 
In den Fällen des 8 1882 ist es von vornherein gewiß, daß 
die durch den staatlichen Bestellungsakt geschaffene Rechtslage des 
Vormundes niemals zu einem eigenen subjektiven Recht desselben 
erstarken wird. Gleichwohl aber läßt das Gesetz auch hier den 
gültigen obrigkeitlichen Bestellungsakt nicht ohne jede Rechts- 
wirkung. Es wäre eine offensichtliche Unbilligkeit, sollte der 
Vormund, der ım Vertrauen auf die Bedeutsamkeit seiner durch 
staatliche Autorität geschaffenen Rechtslage für den seinem Schutze 
Unterstellten tätig wird, selbst ungeschützt bleiben. Es ist ein 
unausgesprochenes, aber stillschweigendes Rechtsprinzip !?°, nach 
dem unser Gesetz nicht nur im Güterrechtsverkehr, sondern natur- 
gemäß in noch stärkerem Maße die mangelhafte menschliche Er- 
kenntnisfähigkeit in solchen Rechtslagen schützt, die durch staat- 
liche Mitwirkung herbeigeführt worden sind. Dieses Rechtsprin- 
137 KOHLER, Lehrb. Bd. I S. 151 verwirrt Richtiges mit Falschem:: nicht 
die Rechtsmacht, welche man Vertretungsmacht nennt, ist eine Rechtslage 
(vgl. dagegen den bloßen Wortlaut des $ 1793), sondern die Bestellung, der 
sie entspringt. 
135 HupkA, Die Vollmacht, 1900, S. 1 N. 1. 
122 v. TuHr, Der allgemeine Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 
I. Bd. (1910) 8. 164. 
180 Vgl. RAMDOHR bei GRUCHOT 44, insbes. S, 117, 122 und 128.
	        
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