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zugewiesene Macht als eine ihm „zustehende Fähigkeit, auf den
Rechtskreis des Vertretenen einzuwirken‘, und daher „als eine Er-
weiterung der Geschäftsfähigkeit des Gestor über seinen eigenen
Rechtskreis hinaus“ charakterisiert !, kommt man notgedrungen
dazu, außer dem Vertretungsberechtigten niemanden für in der
Lage zu halten, dieselben Rechtshandlungen vorzunehmen. Hier
berührt sich v. TUHR eng mit der Auffassung SCHLOSSMANNs, den
er sonst arg mitnimmt, die Vertretungsmacht sei eine „rechtliche
Eigenschaft einer Person, daher ohne objektive Realität, bloß
subjektive Projektion“ '#°, Aber diese Gleichsetzung von Macht
und Fähigkeit ist falsch. Die Macht ist vielmehr ein Recht im
Sinne des täglichen Sprachgebrauchs; zwischen Recht und Fähig-
keit aber besteht ein scharfer Unterschied. Diese Scheidung ist
leider bisher nur von der wissenschaftlichen Jurisprudenz vorge-
nommen, der Gesetzestechnik noch wenig vertraut; auch zwischen
den Begriffen der Befugnis und Macht schwankt die Gesetzes-
terminologie bedenklich einher!*?, —
Das Recht hat mit der Fähigkeit gemein, daß auch das Recht
ein Können ist. Während aber die Fähigkeit ein Können ohne
Beziehung auf ein bestimmtes Rechtsobjekt (Person oder Sache)
ist, bezieht sich beim Recht das Können nur auf ein solches. So
ist das familienrechtliche Können ein rechtliches und nicht ein
161 v, Tuur IS. 164.
152 SCHLOSSMANN a. a. OÖ.
153 Wenn z. B. in $ 32 FGG. der Erlangung einer Befugnis die Er-
langung einer Fähigkeit gegenübergestellt wird, muß unter „Befugnis“ hier
die „Macht“ mit verstanden werden. Andernfalls würde $ 32 auf die Be-
stellungsverfügung, mit der für den Vormund weder die Befugnis noch die
Fähigkeit, sondern die Macht zu rechtsgeschäftlichem Handeln für den
Mündel verbunden ist, keine Anwendung finden können, eine Ausnahme,
die sich nur aus der unpräzisen Ausdrucksweise, keineswegs aus dem Wil-
len des Gesetzgebers rechtfertigen ließe. Richtig: JASTROw zu $ 32 Anm. 3.
RAusnITz, Komm. (1900) zu $32 N.4. Eine Fähigkeit erlangt dagegen
nach der Terminologie des BGB. und des FGG. stets nur derjenige, der
im eigenen Namen handelt, z. B. der Minderjährige, der die Ermächtigung
zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erhält: $ 112 BGB,