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unerträglich wäre, den Bevormundeten in einer Rechtslage zu be-
lassen, welche ihm ermögliche, Maßnahmen des Vormundes seiner-
seits durch wıidersprechende Handlungen illusorisch zu machen.“
Dieser unverbindliche Vorschlag der Gesetzgebungskommis-
sion, der, wie gleich gesagt sein soll, nicht zur Tat geworden ist,
sieht in der Anordnung einer jeden Vormundschaft eine zivili-
stische Degradation, eine Versetzung in die Klasse der vom
Rechtsverkehr Ausgeschlossenen, und begegnet sich so im Geiste
wie in der Materie mit Reformvorschlägen, wie sie neuestens von
der Strafrechtswissenschaft erhoben werden, dahingehend, die Be-
vormundung Großjähriger als selbständige Strafart bei leichten
Delikten einzuführen’ oder die Strafe überhaupt durch die Be-
vormundung zu ersetzen!®. Es soll damit die staatliche Schutz-
gewalt nicht nur mehr für den Willensschwachen eintreten, sondern
gleichzeitig die Gesellschaft vor geistesunreifen Schädlingen be-
wahren. — Doch das sind alles vorerst Wünsche, keine Wirk-
lichkeit! —
Um so mehr muß es wundernehmen, wenn unter denen, die
das geltende Recht lehren, der Wunsch so sehr zum Vater des
Gedankens geworden ist, daß sie von einer „Exklusivität“ der ge-
setzlichen Vertretungsmacht sprechen, und diese, ihre Lehrmei-
nung, als den Willen des Gesetzes verkünden'”. Ebensowenig,
wie von der auf einer Ermächtigung des Inhabers subjektiver
Rechte beruhenden Vollmacht gesagt werden darf, sie sei eine
„Selbstentäußerung“ !#°, — da sich niemand durch Bevollmächti-
gung eines anderen der Fähigkeit entäußern kann, in seinem
15? Vgl. Massow, Bl. f. Gef.kunde 29, 3.
158 YARGHA, Strafknechtschaft 1896/7.
15% So v, Tuar I, 169 und Vollmacht S. 46, 61; dazu auch das oben
S. 427 Gesagte.
16° Für eins „Selbstentäußerung oder eine vollständige Personifikation
im rechtlichen Sinne“ hält die Vollmacht: KoHLEr, Lehrb. I S. 437. Für
einen „alter ego“ des Vertretenen den gesetzlichen Vertreter: DERNBURG,
Allg. Lehren S. 530.