Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Hier wird auch einer der vielen allgemeinen Gesichtspunkte aufge- 
gedeckt: welche Gefahr in Englands Präjudiziensystem verborgen liegt, 
wie lässig es gehandhabt wird, und wie fahrlässig dabei die englische 
Wissenschaft zu Werke gehen kann ($ 4). 
Noch mehr zeigt sich das in den folgenden Paragraphen, in denen die 
tragenden Präjudizien des Urteils gewürdigt werden. Das Ergebnis ist fast 
überall mangelnde Gründlichkeit, mangelnde Logik, manchmal anschei- 
nend nicht unbewußterweise, und damit in Verbindung häufig mangelnde 
„Ehrlichkeit“ im Aussprechen der wahren Gründe. Ein Strecken und Dre- 
hen gewaltsam gesuchter und amputierter Sätze scheinrechtlicher Natur, 
„Kryptogründe“ typischer Art im Sinne von Ernst FucHs zur Bemäntelung 
des einen Leitsatzes: Jede Art von Gewaltsamkeit ist Recht, die das eng- 
lisch-amerikanische Kaperrecht und das damit offenbar unbedingt ver- 
knüpfte englische Staatswohl zu stützen geeignet ist. 
Dabei treten wiederum zwei Gesichtspunkte allgemeiner Natur beson- 
ders deutlich hervor. Die Uebereinstimmung der Denkweise des typischen 
Engländers und Amerikaners und der Kampf der modernen Gesittung hier 
in Form des Völkerrechts (eine pikante Wendung) unter Führung der ro- 
manischen Welt gegen die mittelalterlich rückständige, rohe englische 
Interessenauffassung. Die moderne Gesittung ist tatsächlich im Krieg un- 
terlegen. Wie sich der Verfasser trotzdem gerade durch den Krieg, unter 
deutscher Führung, ihren Triumph denkt, zeigt sich schön in dem Zitat 
des Engländers RusseL und in dem eigenen „Nachwort“ des Verfassers. 
Was sich neben der erstaunlichen Belesenheit und Vertrautheit mit 
dem englischen Recht und der Gründlichkeit der Forschungsmethode dem 
Leser aufdrängt, ist die ruhige, objektive Bewertung englischer Eigenheit 
und fremdländischen Lebens. Im Gegenteil zu dem Eindruck, den die hier 
gebotene, sehr gedrängte Sachdarstellung vielleicht bietet, unterläuft dem 
Verfasser keine einzige Gehässigkeit oder chauvinistische Bemerkung. Der 
Weltkrieg wirft nur sachlich seine Schatten, ein wohltuender Gegensatz 
zu vielen Erscheinungen unserer Tage. Auch hierin ist das Schriftchen 
ein kleines Kulturdokument. Es zeigt auf diese Weise deutlicher die Jeber- 
legenheit deutschen Schaffens und Geistes, als manches andere, das dies zu 
zeigen sucht. 
So wächst diese kleine Fachschrift weit über ihren Rahmen. Sie wird 
zum Ausdruck einer Persönlichkeit und dadurch zur Verkörperung des 
besten deutschen Gelehrtentums. Aber selbst darüber hinaus läßt der Ver- 
fasser seiner Eigenart — glücklicherweise — die Zügel schießen. Sie be- 
schert uns unter den mehreren Nummern des Anhangs fachkritischer Natur 
ein Essay über die Brüder Scott. Die beiden Lebensabrisse dieser Richter 
sind ein Kabinettsstück literarischer Kunst im besten Sinne. Hier kommt 
nach dem Juristen des Verfassers zweite Natur, der Künstler und Kultur- 
historiker, zum Wort. Nach der Hauptkost das Dessert. Schade, wenn 
sich jemand schon nach dem Braten von der Tafel erheben sollte. 
Rechtsanwalt und Dozent Dr. H. Wimpfheimer.
	        
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