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schichtlichen Verhältnisse ist daher nur insoweit möglich, als überhaupt
eine Auslegung in Frage kommt; sonst entscheidet allerdings, was HEck
nicht zugeben will, der innere Sinn des Gesetzes. Eine Vereitelung der
Gesetzeswirkung (S. 60) tritt nicht ein, wenn irgend welche Absichten von
Gesetzgebern zu nichte werden, sondern nur wenn dieser Sinn des Gesetzes
nicht zur Wirkung kommt. Was Heck dagegen vorbringt (8. 75), z. B.
daß der Gesetzgeber nicht Beschränkung auf die Gesetzestexte fordere
und nicht die Benutzung sonstiger Behelfe verbiete, trifft das Wesen der
Sache nicht. Entscheidend ist vielmehr der Begriff der Auslegung, der
einen nicht an sich verständlichen Gegenstand voraussetzt.
Mit diesen Einschränkungen ist den Ergebnissen Hecks zuzustimmen.
Er führt insbesondere auch die richterliche Füllung der Gesetzeslücken auf
die Beobachtungen des Alltags zurück. Auch der Diener habe auf Grund
des Herrengebots selbständig einzugreifen, soweit ihm dies ausdrücklich
aufgetragen sei oder die Sachlage vom Herrn nicht angeschaut oder das
Gebot mangelhaft gebildet sei, wenn nicht andrerseits wichtige Gegen-
gründe z. B. die Sorge für die stete Genauigkeit und Gleichförmigkeit der
Befehlsausführung (S. 170) beständen. Das Bedürfnis an der Erhaltung
einer einmal zur Geltung gelangten Ordnung wertet Heck sehr hoch
(S. 181), wie ja schon aus seiner Rektoratsrede „Das Problem der Rechts-
gewinnung, Tübingen 1912“, an die sich gegenwärtiges Buch anschließt,
hervorgeht. Wenn dieses Bedürfnis kein Hindernis bietet, will Heck dem
Richter sogar die Umgestaltung des Gebotsinhalts gestatten, um den inneren
Absichten des Gesetzgebers nachkommen zu können, eine recht gefährliche
Einräumung, die mit der bereits gekennzeichneten allgemeinen Stellungnahme
Hecks zusammenhängt. Soweit er freilich aus dem Gesetze einen Befehl
entnimmt, fordert er vom Richter unbedingten Gehorsam und verwirft
eine Rechtsprechung gegen den Gesetzeszweck (S. 221). So führt Heck die
Beobachtung der „Dienergrundsätze“ für die Auslegung strenge durch und
verwirft demgemäß die Auslegung nur aus dem Gesetze selbst, sei es daß
es sich um die rechtsgelehrte Auslegung (S. 253), die Laienauslegung
(8. 268), die von KoHLER dem Richter eingeräumte Auswahl unter den
möglichen Auslegungen nach der Zweckmäßigkeit (8. 275) handelt oder,
wie WÜSTENDÖRFER will, nach dem für die Auslegung maßgebenden
Gegenwartsbedürfnis (S. 287). Die Wahrheit dürfte auch hier in der Mitte
liegen. Zunächst entscheidet der aus dem Gesetze klar und unzweideutig
zu entnehmende Willen und zwar sowohl bejahend wie verneinend: der im
Gesetz ersichtliche Willen ist zu befolgen, ein nicht ersichtlicher besteht
nicht. Ist aber der Wille des Gesetzes unklar, dann tritt die Auslegung
ein und hiezu sind die geschichtlichen Vorgänge im weitesten Umfange
beizuziehen, es ist das Gewicht der von den Gegnern vorgebrachten schutz-
würdigen Bedürfnisse vom Standpunkte der Gegenwart abzuwägen und
hienach die Entscheidung zu fällen. Ein Beispiel möge aus dem von