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reichsrechtlichen, verwaltungsgerichtlichen
Verfahren bereichert das öffentliche Recht des Deutschen Reichs
auf prozessualem (Gebiet um ein neues, wichtiges System, das in
engem Anschluß an das öffentliche Arbeiterversicherungsrecht aus-
gebaut werden muß. Es wird auch eine Vereinfachung und Be-
schleunigung des Verfahrens dadurch erzielt werden, daß in den
Fällen der Kriegsfürsorge nieht zuerst die Verwaltungs- und dann
die Gerichts-Instanzen angegangen werden, sondern daß in einem
verwaltungsrichterlichen Verfahren die rechtlichen und die ad-
ministrativen Gesichtspunkte in einheitlicher Zusammenfassung zur
Prüfung und Entscheidung gelangen. Diese Zusammenfassung
entspricht auch allein der Offizialmaxime.
Das Rechtsgebiet der Kriegsfürsorge ist ein im Wesentlichen
nen zu organisierendes, selbständiges Gebiet mit individuellem
Charakter, dessen Rechtssätze aus dem Bedürfnis und dem Wesen
der Sache heraus frei und selbständig zu entwickeln sind. Dies
warnt davor, die Rechtsbegriffe dieses Gebietes mit Zwang unter
Rechtsbegriffe bereits ausgebauter Zweige der Rechtswissenschaft
zu bringen. Dagegen finden die allgemeinen Lehren der Rechts-
wissenschaft und die allgemeinen Rechtsgrundsätze ! insoweit auch
hier Anwendung, als nicht aus der Natur des Kriegsfürsorgerechts
oder aus positiver Bestimmung sich ein anderes ergibt. Soweit
besondere Bestimmungen im Öffentlichen Kriegsfürsorgerecht fehlen,
besteht auch kein Bedenken, die Sätze aus wesensähnlichen Ge-
bieten des bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden. Es ist
also hier zwischen RechtsgrundsätzenundRechtssätzen
zu unterscheiden — gleichviel, ob erstere ihren positiv-rechtlichen
Niederschlag in einem Rechtssatz gefunden haben oder nicht; der
! Von allgemeinen Rechtsgrundsätzen möchten hier — bei dem so-
zialen Charakter des Rechtsstoffs — insbesondere die von Treu und Glau-
ben im Verkehr und von der Auslegung von Willenserklärungen jeder Art
nach Sinn und Willen des Aeußernden, nicht nach dem Wortsinn, endlich
der hervorgehoben werden, der für soziale Gesetze eine wohlwollende Aus-
legung fordert.