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Kenntnis zu bringen, was auf dem Reichstage beschlossen wor-
den war.
Das am 19. Juni 1723 sanktionierte und am 2. Juli dem
Reichstage feierlichst vorgelegte handschriftliche Exemplar der
Gesetze vom Jahre 1723 war demnach formell zwar noch kein
Gesetz, weil die rechtskräftige Verkündigung noch ausstand, wesent-
lich aber war es ein solches, weil das Zustandekommen des höch-
sten Staatswillens eigentlich bereits durch die Sanktionierung ge-
schehen war, nur hatte es noch keine bindende Kraft. In Wiırk-
lichkeit beruht aber diese bindende Kraft ebenfalls nicht auf der
Verkündigung, sondern wiederum auf der Sanktionierung, die
wiederhin eine Folge der Promulgation und Publikation ist. Die
Gesetze erlangen ihre bindende Kraft nur scheinbar durch die
Verkündigung. Dies ist bloß ein praktisches Erfordernis”.
Das am 2. Juli 1723 dem Reichstage promulgierte, d. i. auch
im Hinblick auf seine Glaubwürdigkeit überprüfte Exemplar der
Gesetze vom Jahre 1723 ist somit die erste Originalur-
kunde desselben, wodurch es eine körperliche Existenz erlangte!".
» 8. HAENEL, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne. (Studien
zum Deutschen Staatsrechte. Bd. II.) Leipzig 1888, S. 159. — GEORG JEL-
LINEK, Die rechtliche Natur der Staatenverträge. Wien 1880, 8. 35. —
LABAND a. a. O. Bd. II, S. 57. — Nach BENJAMIN GROSSCHMID folgt dar-
aus, daß niemand verpflichtet ist, sich vor der Verkündigung an das
ansonst geschaffene und sanktionierte Gesetz zu hal-
ten, nicht, „. daß das sanktionierte Gesetz nicht end-
giltiggeschaffen wäre, bevoresverkündigtist, sondern
daß vor der Verkündigung der Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit desselben
nicht eintreten kann“. Magänjogi eldadäsok. Jogszabälytan. [Privatrecht-
liche Vorlesungen. Rechtsnormenlehre.] Budapest 1905, S. 101. — Vgl.
dagegen KELSEn, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre. Tübingen 1911,
S. 419 f.
100 Vgl. LABAND a. a. O. Bd. II, S. 52. — GEORG JELLINER, Gesetz
und Verordnung. S. 327”. — Nach TEZnER ist der promulgierte, erste,
sanktionierte handschriftliche Text eigentlich das „leibhaftige Gesetz“.
Über die gehörige Kundmachung von Gesetzen nach österreichischem Ver-
fassungsrechte. (Juristische Blätter. Jahrg. XVI, Nr. 4-9, Wien 1887.)
S.49f.