Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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zwar zeitweilig zurückgedrängt, erst im Zeitalter der Aufklärung wieder 
hervortrete und durch die französische Revolution mit der Lehre von der 
Freiheit der Menschen verknüpft werde (S. 276 mit 275). Sobald die fran- 
zösische Revolution, die in ihrer Deklaration v. 26. Aug. 1789 von ROUSSEAU 
geleitet ist (S. 275), also der Theorie von den individuellen Grund- 
rechten nicht huldigen kann, zuden Rechten der Staaten Stel- 
lung zu nehmen hat, bewegt sie sich doch in den zu ROUSSEAU gegen- 
sätzlichen Bahnen von LockE und in der Ideenwelt einer ursprünglichen 
Freiheit. ABB£ GREGOIRE äußert die dadurch bewirkte Synthese der beiden 
Ideenreihen in seinem Konventsantrage auf Erlassung einer Erklärung 
der Völkerrechte (8. 276. „Die Freiheit der Staaten* 
(I. Abschnitt), die sich noch immer im Besitz ihrer ursprünglichen Macht- 
vollkommenheit befinden, ist also das erste und fundamentale 
Prinzip, das auf die natürliche Freiheit überhaupt zurückgeht und ohne 
eine eigentliche Schöpfung der Revolution zu sein, dennoch als ihr geistiges 
Eigentum und Habe angesprochen werden darf und von ihr in Europa 
zum Siege geführt wurde (8. 276—279). „Die autoritative Intervention (II.) 
wird in Konsequenz des ersten fundamentalen Prinzips als Eingriff in die 
Gleichheit der Staaten theoretisch bekämpft. Damit ist ein neues funda- 
mentales Prinzip des Völkerrechts gewonnen (S. 280) — das übrigens im 
engen Zusammenhange mit den jeweiligen Bedürfnissen der auswärtigen 
Politik entwickelt wird, um der Einmischung einer europäischen Koalition 
in die inneren Verfassungsangelegenheiten Frankreichs zu begegnen. Die 
Beratung der Nationalvrersammlung über die Kompetenz zur Kriegserklärung 
führt zur Untersuchung, ob es überhaupt ein Recht zum Kriege gibt und 
zur Verurteilung des Angriffskriegs, dessen entscheidendes Merkmal in die 
Priorität der Rechtsübertretung als ersten Eingriff in die fremde Souveränität 
verlegt wird (S. 281). Die Frucht der Beratung ist das berühmte Dekret 
v. 22. Mai 1790 (S. 284 mit 281), worin Frankreich allen Eroberungskriegen 
entsagt und seine Macht niemals zur Unterdrückung der Freiheit anderer 
Völker mißbrauchen will, 
Gerade im Interesse dieser Staatenfreiheit und der Stabilität des euro- 
päischen Systems gelangt nun die Revolution (III. Abschnitt, S. 285 f.) zum 
Gedanken einer europäischen Allianz zum Schutze der Freiheit und Sicher- 
heit der Völker. „Die (naturrechtliche) Lehre vom Staatsvertrag wird in 
die Lehre von einem Bundesvertrag übergeleitet. Aber das Motiv der 
Vereinigung, die psychologische Struktur ist die gleiche“ (S. 286), Da- 
durch sah sich aber gleichzeitig Frankreich vor die weitere Frage gestellt 
(IV. Abschnitt, Die Volkssouveränität), wie eine solche Verbindung zur 
gemeinsamen Verteidigung der Staatenfreiheit mit Staaten erfolgen soll 
und kann, die sich noch nicht zur grundlegenden Lehre der Menschen- 
rechte bekennen, d. h. mit den traditionellen, Frankreich bedrohenden 
Monarchien (8. 287 f.). Frankreich konnte seinen Arm nur einem Lande
	        
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