Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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„Verfassungs- und kulturpolitischen* Problem und kommt 
— unter dem Einfluß des ungeheuren Schicksalskampfes — zu einem Re- 
sultat, auf das wir Deutsche aus innerstem Herzen stolz sein dürfen, das 
zu einer Wahrheit zu machen unser tiefster Wunsch, aber auch unser 
heiligster Ernst sein muß. Es handelt sich, wie angedeutet, um zwei ent- 
scheidende Ideenkomplexe, wobei die befriedigende Lösung des einen 
engeren die Voraussetzung einer hoffnungsfreudigen Realisierung des an- 
deren weiteren bildet. Ohne in diesem Rahmen auf die gegensätzliche 
Entwicklung des konstitutionellen Lebens in England-Frankreich und bei 
uns näher eingehen zu wollen, sei hier nur daran erinnert, wie bis zum 
Beginn des Krieges ein Jahrhundert an der praktischen und begrifflichen 
Klärung dieser Frage gearbeitet hat, ohne daß man die Bewegung als ab- 
geschlossen betrachten konnte. Eines war dabei nicht zu verkennen. Die 
Neigung, dem anderen Teile gerecht zu werden, war auf unserer Seite 
stärker, eber zu stark vorhanden, ganz im Sinne jener „Empfänglichkeit 
für fremde Kultureinflüsse“, die Kj. in anderem Zusammenhang an den 
Deutschen rühmend hervorhebt. Namentlich die englische Staatsrechts- 
wissenschaft hat die eigenartige Variante des Verfassungsrechts, die unser 
monarchisch-konstitutionelles Staatswesen darstellt, nie verstanden und 
überhaupt als solche nicht anerkennen wollen. Auch bei uns hat man den 
vielgerühmten westlichen Parlamentarismus mit anderen Augen ansehen 
gelernt, namentlich DELBRÜCKs Buch: „Regierung und Volkswille“ machte 
in dieser Richtung neuerdings erwünschte Feststellungen. Trotzdem haben 
weite Kreise jene für alles Westliche rosenfarbene, die eigenen Zustände 
grau in grau malende Brille noch nicht abgelegt und soeben hat ein sonst 
verdienter Forscher eine Schrift über „Das deutsche Volk und die Politik“ 
geschrieben, in der er „das politische Anderssein Deutschlands gegenüber 
andern Staaten und Nationen“ als Hauptgrund der allgemeinen Abneigung 
gegen uns erklärt und, was das Wichtigere ist, dabei ein Verdammungs- 
urteil über unsere innerpolitische Struktur fällt. Demgegenüber wirkt es 
besonders erfrischend, aus dem Munde KJELLENs das uneingeschränkte 
Bekenntnis zu der Tüchtigkeit und Haltbarkeit unserer inner-politischen 
Zustände zu vernehmen. Er sieht in ihnen die Synthese zwischen „rein 
ausgeprägter Staatsidee und rein ausgeprägtem Volkswillen“ (wieweit dies 
letztere für die Westmächte zutrifft, darüber vgl. die eben angeführte 
Schrift DELBRÜCKs und KJELLENs weiter unten folgende Ausführungen), 
nicht nur ein „Zwischen- und Bindeglied, sondern ein Oberglied“ über 
These und Antithese. Und den befremdenden Bund dieser beiden glaubt 
er sich „psychologisch* so erklären zu können: „Zwischen These und Anti- 
these — zwischen Altkonservativen und Altliberalen — bestehen Brücken 
zum Verständnis, sie haben einander in langem Kampfe kennen gelernt, 
sie haben sogar eine gewisse Neigung ineinander überzugehen, wie der 
praktische Absolutismus der englischen Regierung und die anarchischen
	        
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