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deutscherseits so oft und nachdrücklich vorgebracht wurde, nicht
nochmals dargelegt werden. Oesterreich lag in ernstem Kon-
flikt mit Serbien, diesem Konflikte nicht aus dem Wege zu gehen,
war für Oesterreich Existenzfrage.e Mochten unter den Versöh-
nungsvorschlägen ernsthafte sich befinden, sie hatten nicht die
Kraft zu überzeugen, zu verhindern, was geschah. Nur von Ruß-
land hing es ab, ob der lokale, unvermeidliche Konflikt für sich
allein ausgetragen werden konnte oder ob er zum Anlaß des Welt-
krieges genommen werden sollte. Rußland entschied sich auf seine
Verantwortung für das letztere und damit wurde es für Europa
zum Friedensbrecher. Ich wiederhole dies oft gesagte? nur, weil die
ebenso oft wiederholte Entstellung des Sachverhaltes in der eng-
lischen Antwortnote wiederkehrt. Die englische Entstellung ist
der Titel seiner Schuld am Kriege, denn auf diese Entstellung
hat England seinen Entschluß zur Teilnahme am Krieg und zur
Art seiner Kriegsführung gegründet. Es gründet darauf folge-
richtig auch seine Ablehnung des deutschen Friedensangebotes.
Wir halten ein, denn hier ıst der Punkt der Note, der von
England zu einem förmlichen Weltprogramm aufgebauscht worden
ist: „Schutz der Kleinen“, das’ ist die Aufgabe, die es sich in
diesem Kriege angeblich gesetzt hat. Aus dem Eintreten Rußlands
für Serbien, dem England sich anschloß, und aus der gewaltsamen
Forderung Deutschlands an Belgien, den Durchmarsch zu ge-
statten, erhob England seine Anklage gegen Deutschland und
Oesterreich und diese Anklage setzt es in seiner Antwortnote fort.
An der Tatsache, daß der österreichisch-serbische Konflikt durch
Serbiens Schuld unvermeidlich und daß Oesterreichs Sühneforde-
rung nach dem, was geschehen war, gerecht und ehrenhaft war,
gleitet die Note vorüber, ebenso an der anderen Tatsache, daß
Englands Bundesgenosse Rußland einen durchaus nur im eigenen
Interesse unternommenen Angriff auf Oesterreich gemacht hat.
Ebenso bleibt ungewürdigt die Lage, in welche Deutschland an
® Vgl. auch mein ‚Ursachen und Aussichten des Krieges‘. Tübingen,
Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1915.