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und zweitens ob zur Geltendmachung dieses Anspruchs und zur Entschei-
dung der Frage, ob und inwieweit er besteht, der Rechtsweg zulässig ist.
Beide Fragen wurden nach langen Verhandlungen durch die erwähnte
KabO. in verneinendem Sinne entschieden. Der Verf. stellt den Gang
dieser Verhandlungen und die Vorgeschichte der KabO. in allen Einzel-
heiten und unter Mitteilung aller in Betracht kommenden Schriftstücke der
Minister, des Gesamtministeriums, des Staatsrats usw., sowie der Urteile
aller Instanzen in den wichtigsten Kriegsentschädigungsprozessen dar. Mit
welcher Gründlichkeit er dies tut, ıst außer aus dem Inhalt des Buchs
selbst schon aus dem langen Verzeichnis der von ihm benutzten Akten und
Archivalien (S. XIff.) zu entnehmen. Wenn der Streit unter den Ministern
sich fast ausschließlich hinsichtlich der Zulassung von Prozessen über den
Ersatz von Kriegsschäden abspielte, so handelte es sich doch in Wahrheit
um viel weiterreichende Prinzipien; um den Gegensatz und die Abgrenzung
von öffentlichem Recht und Privatrecht; um den Schutz der Rechte des
Untertan gegenüber Maßregeln der Behörden, welche ihm im Interesse der
Gesamtheit (des Staates) Opfer auferlegen ; um die Entscheidung von Kon-
flikten zwischen Verwaltungsbehörden und Gerichten hinsichtlich ihrer Zu-
ständigkeit und endlich und hauptsächlich um das Fortbestehen einer
Kabinettsjustiz, um die Zulässigkeit eines persönlichen Eingreifens des
Königs in schwebende Rechtsstreitigkeiten durch eine für die Gerichte ver-
bindliche „Belehrung“ über die richtige Auslegung und Anwendung von
Gesetzen oder durch das Verbot an die Gerichte eine Klage anzunehmen
oder einen schwebenden Prozeß weiter zu verhandeln.
Mit zäher Energie verteidigten die Justizminister, namentlich v. DAN-
KELMANN und v. KAMPTZ die Zuständigkeit und Bewegungsfreiheit der Ge-
richte und weigerten sich, in die Rechtspflege einzugreifen, während dem
Finanzminister, namentlich v. Morz, die Erhebung von Ersatzansprüchen
gegen den [Fiskus für Vermogensbeschädigungen unbequem und für die
Ordnung der Finanzverwaltung gefährlich erschien. Die anderen Minister
teilten den Standpunkt des Finanzministers, der auch ihren Machtbefug-
nissen förderlich war, und die in der KabO. getroffene Entscheidung ent-
sprach der reaktionären Richtung der damaligen preuß. Regierung. Die
KabO. hat die Form der Genehmigung des Berichts des Staatsministeriums
vom 16. Nov. 1831, welcher vom König bezeichnet wird als
„eine für die Gerichte abgefaßte Belehrung über den in vorge-
kommenen einzelnen Fällen nicht beobachteten Unterschied zwischen
landeshoheitlichen und fiskalischen Rechtsverhältnissen‘.
Um der KabO. allgemeine Befolgung zu sichern, sollte sie nebst
dem Bericht des Staatsministeriums ordnungsmäßig in der Gesetzsammlung
verkündigt werden. Aus der Entstehung der KabO. und ihrer eigentüm-
lichen Form ergaben sich viele Zweifel über ihre rechtliche Natur; ob sie
überhaupt rechtsgültig ist, weil der Staatsrat über sie nicht befragt wor-