Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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wurden für einzelne Orte und ganze Bezirke die ordentlichen 
Gerichte ausgeschaltet und die bald vorher, bald jeweils bei der 
Verkündung des Standrechts bezeichneten strafbaren Handlungen 
der Aburteilung vor Stand-, Kriegs- oder Militärgerichten in 
einem binnen 24 Stunden zu erledigenden Verfahren ohne jede 
Appellation überwiesen. Dabei pflegten für die Dauer dieses 
Zustands eine ganze Reihe von als besonders „staatsgefähr- 
lich“ angesehenen Delikten mit sehr schweren Strafen oder 
auch schlechthin der Todesstrafe belegt zu werden, sei es in 
formell-legalem Verfahren kraft Notverordnungsrechts (des Lan- 
desherrn oder der höchsten Verwaltungsstelle), sei es durch ein- 
fache Erklärung des militärischen Befehlshabers. Den Grund- 
gedanken liefert dabei die das Strafrecht des Polizeistaats be- 
herrschende Abschreekungstheorie, die einerseits der Gefahr eines 
Aufruhrs durch exorbitante Strafandrohungen vorbeugen will, 
anderseits den Unterlegenen der Rache des Siegers ausliefert. 
Und „Militärrichter wählte man nur, weil man hoffen konnte, 
daß diese sog. Richter am willfährigsten die Angeklagten ver- 
urteilen würden weil man weiß, wie der Soldat, an mili- 
tärischen Gehorsam gewöhnt, gerne den Befehlen und Wünschen 
des von ihm als tapfer und einflußreich geachteten Befehlshabers 
folgt, der schon als Richter diejenigen auswählt, welche er als 
die strengsten und den Machthabern ergebene Männer kennt“ 2, 
Man sucht also den Charakter einer wirklichen Rechtsprechung festzuhalten, 
wenn auch die absolute Strafandrohung (Todesstrafe) ihr keinen Spielraum 
läßt außer in Hinblick auf die Tatfrage. (Näheres bei KLEINSCHROD im 
Neuen Arch. d. KrimR. 9 [1826] 270 ff.). Diesen Charakter einer echten 
Rechtsprechung hat die bayerische Regierung noch 1912 bei Einbringung 
des Kr2G. (unten V) betont. 
11 Diese ging bald vom Staatsoberhaupt, bald von der obersten Ge- 
richts- oder Verwaltungsbehörde, bald vom militärischen Befehlshaber, 
letzterenfalls bald mit, bald ohne Einverständnis mit der Zivilbehörde aus. 
12 MITTERMAIER'a. a. O. 64; vgl. auch seine Ausführungen 8. 53, 59 
(„die Regierungspartei, wenn sie volksfeindlich ist, kann leicht den von ihr 
selbst veranlaßten oder begünstigten oder durch Schlauheit zum Ausdruck
	        
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