Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

— 397 — 
gebenenfalls über die Rechtsverfassung hinwegsetzen, in der betr. 
Rechtsverfassung bereits ihren Ausdruck gefunden hat, wie z. B. 
im Notverordnungsrecht des Landesherrn. Es kann bei dem 
Wort „Staatsnotrecht“ aber auch nur an das einer solchen Regelung 
zugrunde liegende politische Prinzip gedacht sein, und nament- 
lich dort, wo der rechtsstaatliche Gedanke sich noch nicht kräftig 
durchgesetzt hat, wird nur zu leicht die Neigung bestehen, diese 
politische Formel zur Rechtfertigung der verschiedensten Will- 
kürakte vorzuschieben, besonders wenn man den Staat mit dem 
Träger der Fülle der ja schlechthin unendlichen Staatsgewalt 
und seiner Verwaltung identifiziert. Je nach dem Stand der 
Rechtsverfassung wird die eine oder andere Art von „Staats- 
notrecht“* in Frage stehen; wo, wie in Deutschland, mindestens 
der Zeit vor 1848, das „öffentliche* Recht nur ein Sonderrecht 
darstellt, vermöge dessen sich die Verwaltung innerhalb eines 
einheitlichen Rechts gewisser Bevorzugungen erfreut, wird die 
Neigung bestehen, die auf diese Bevorzugungen zurückzuführende 
Ohnmacht des Einzelnen gegenüber Willkürakten unter Berufung 
auf jenes politische Prinzip für materielles Recht zu erklären. 
Daß man aber auch ohne „Staatsnotrecht“ zu demselben Ergeb- 
nis kommen kann, beweist die Aeußerung des preußischen Mini- 
sters v. MÜHLER (1837), daß die von der oberen Instanz ge- 
billigte Verwaltungshandlung auch rechtmäßig sei!? — welche 
Aeußerung noch nicht einmal etwa in Hinblick auf gerichtliche 
Urteile, sondern Verwaltungssentenzen fiel. 
Das müssen wir festhalten. Denn mehr oder weniger rechts- 
staatlich war die Rechtsverfassung in Deutschland stets. Die 
Aera der Machtsprüche war in der ersten Hälfte des 19. Jahr- 
hunderts überwunden; die Herrschaft des Gesetzes setzte sich 
mehr oder weniger überall durch, sei es im Wege der Kodifi- 
15 LönınG, Abhandlungen und Aufsätze 1 178/179; vgl. auch BISMARCKS 
Lückentheorie (MArcKS, OÖ. v.B, 63).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.