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der Suspension der ordentlichen Strafgerichtsbarkeit zugunsten
des Standgerichts und des von ihm anzuwendenden „Kriegsrechts*
auch die Möglichkeit milderer Strafandrohungen für einzelne Fälle
gegeben, die bald von vornherein, bald nachträglich, bald auf
Veranlassung der obersten Landesstellen, bald von dieser selbst
erlassen wurden, so daß also geradezu ein Ausnahmestrafrecht
gesetzt zu werden schien.
Die letztgenannten Fälle deuten indessen darauf, welche Be-
wandtnis es mit diesem Ausnahmestrafrecht hatte: es war an und
für sich gar keine Rede davon, daß der mit der Niederschlagung
des Aufstands betraute MBH. ein etwa in seiner, von sei-
nem obersten Kriegsherrn abgeleiteten, militärischen Machtvoll-
kommenheit begründetes „Recht“ zum Erlaß von Anordnungen
praeter oder sogar contra legem haben sollte. Es hätte sonst
1849 das Vorgehen der preußischen Heeresleitung gegen die ge-
fangenen badischen Aufständischen auf Grund des preußi-
schen BZG. kein solches Aufsehen erregen können??; Preußen
war eben lediglich für sein Heer in Baden exterritorial, erlangte
aber durch die geleistete Bundeshilfe noch kein Recht zur An-
wendung preußischer Rechtsgrundsätze gegen badische Unter-
tanen. Und wenn die obersten Landesstellen Anordnungen er-
22 HOLTZENDORFF a. a. O. nennt dieses Verfahren „eine bis dahin bei-
spiellose Praxis“, die aber in der Folge öfter Anwendung fand. Man er-
innere sich an den Widerspruch, den die süddeutschen Regierungen aus
Anlaß der Zabernaffäre gegen die preußische Auffassung erhoben, daß für
das preußische Militär das Verhältnis zur Zivilgewalt überall durch sein
preußisches Gesetz bestimmt werde. Wir empfinden es ja auch heute (1916)
als einen unerhörten Rechtsbruch, wenn der griechische Offizier, der im
widerrechtlich besetzten Saloniki während des vom französischen General
angeordneten Belagerungszustandes gegen französische Anordnungen ver-
stößt, vor das französische Kriegsgericht gestellt wird. — Anders natürlich
liegt der Fall, daß in besetztem Feindesland ein Militärpolizeistaat er-
richtet wird, wie das z. Zt. in Belgien, Polen usw. der Fall ist. HOoLTZEN-
DORFF berichtet a. a. O., daß man in solchen Fällen das Recht des ein-
heimischen BZG. angewendet hat; genau so hat man ja diesmal mit dem
deutschen BZG. operieren zu sollen geglaubt.