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hinaus dem MBH. dieselbe tatsächliche Bewegungsfrei-
heit, die die obersten Landesstellen jetzt selbst hatten, nachdem
das wichtigste corrigens gegen Willkürgelüste, die gerichtliche
Kontrolle, beseitigt war.
Erst als der französische Belagerungszustand in Deutschland
bekannter wurde, ergab sich die Frage nach dem Verhältnis
zwischen Militär- und Zivilgewalt.e. Man wandte diese Bezeich-
nung zunächst korrekt auf die Situation in einer belagerten Fe-
stung an und regelte diesen echten BZ. auch nach französischem
Vorbild®; wo letzteres nicht der Fall war, arbeitete man einfach
mit dem Kriegsgesetz, vermöge dessen sich hier der Einzelne dem
militärischen Bedürfnis zu fügen habe. Aber man übertrug diese
Bezeichnung auch auf den bürgerlichen Ausnahmezustand *, und
identifizierte so geradezu Martialgesetz und Standrecht über diese
Brücke des BZ.?®. Und nun machte es sich geltend, daß man
den Blick für die eigentliche Quelle des militärischen Vorgehens
und der militärischen Anordnungsmöglichkeiten verloren hatte:
Jetzt soll das militärische Vorgehen bei Erklärung und während
des Ausnahmezustands seine Rechtfertigung angeblich in sich selbst
tragen, in welcher Hinsicht besonders bezeichnend die Tatsache
ist, daß dort, wo die Grenze zwischen Militär- und Zivilgewalt
besonders flüssig war und noch sehr wenig rechtsstaatlicher Geist
2® So 1809 in Preußen (unten bei N. 79).
2® Man sprach von Belagerungsstand, Kriegsstand und ließ wäh-
rend dieses Kr.- bzw. B.-Zustandes das Standrecht gelten. RoTTEcK,
Staatslexikon, 2. Aufl. (1846) 1 282: „Es lasse sich... in Belagerungsstand
erklären, d. h. das Martialgesetz verkünden, und in einer noch weiteren
Bedeutung könnte man auch von einer ganzen Nation, welche man etwa
unter dem Titel der bedrohten Ordnung und Sicherheit durch Ausnahme-
gesetze und von der Macht diktierte Ordnungen zeitlich oder dauernd re-
gierte, sagen: sie sei in Belagerungszustand erklärt.“ In diesem Sinne
spricht er geradezu von den Karlsbader Ausnahmebestimmungen als eines
„Belagerungszustands der Nation auf 5 Jahre“, aus denen dann aber 28
Jahre geworden sind.
8° Vgl. z. B. unten N.80c und $ 5 des unten V wiedergegebenen bayr.
Entwurfs eines BZG. von 1850/51.