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herrschte, die Grundlage gesucht und verlegt wird in Be-
stimmungen der — Militärstrafgerichtsordnung oder sie einführen-
den Verordnungen ®*. Soll ja doch schließlich noch heute der
Gesichtspunkt der „öffentlichen Not“ oder der „rettenden Gewalt-
anwendung“ letzten Endes die Rechtfertigung für die Unter-
stützung der Zivilgewalt durch das Militär, und bei der kriegs-
mäßigen Unterdrückung innerer Unruhen sowie dem Belagerungs-
zustand gegenüber der bürgerlichen Polizeiübung nur „das Neue
sein, daß das Heer nicht mehr der bürgerlichen Polizei beisteht,
sondern es nimmt die Sache selbst in die Hand“ ®2,
Aber trotzdem blieb entsprechend dem Stande der Verfassungs-
gesetzgebung bezeichnenderweise stets das Standrecht,. d. h. die
Justiz als Angriffsobjekt, der Mittelpunkt der Regelung und der
Debatte in Deutschland. Nur in Hinblick auf den angestrebten
Erfolg besteht eine Verwandtschaft mit dem französischen etat
de siege. Das Verhältnis der Vollziehung zur Gesetzgebung war
so wenig entscheidend, daß in Bayern bis 1912 das Standrecht
geradezu die Form des Ausnahmezustandes blieb. Und an das
Standrecht knüpfen auch die gesetzlichen Regelungen an, denen
wir im Gefolge der Vorgänge von 1848 in verschiedenen deut-
schen Staaten begegnen. Weniger die Materie als solche empfand
man lästig, als die damit getriebenen Mißbräuche; weniger
wollte man grundsätzlich ändern, als die Materie gesetz-
lich ordnen und so Garantien gegen diese Mißbräuche schaffen.
Wo immer 1848 und den folgenden Jahren in Parlament und
Schrifttum die Materie auftaucht, überall steht der Satz im Vor-
dergrund, daß für außergewöhnliche Zeiten außerordentliche Ge-
setze bestehen müßten, und es ist sehr bezeichnend, daß oft genug
die vorgesehenen Mittel als nicht ausreichend bezeichnet werden ®.
%ı So in Sachsen (unten II) und Preußen (unten IV).
32 (), MAYER, ‚Deutsches VerwR.? 1 326.
33 Stets taucht die Frage auf, ob die vorgesehenen außerordentlichen
Strafandrohungen nicht zu niedrig seien, vgl. unten N. 106.