Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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schen Willkür zusammen!?”. Ein solches Versagen braucht ganz 
und gar nicht auf bösem Willen zu beruhen. Der Begriff der 
127 Das ist der Sinn meiner Bemerkung Annalen 1915 S. 328 N. 24, daß 
formell eine Militärdiktatur bestehe, wenn, weil und solange keine Stelle 
da sei, die eine Kompetenzüberschreitung des MBH. und eine darauf fußende 
Gewaltanwendung hindern könne. JW, 1915 S. 1489 verweist demgegenüber 
darauf, daß die Rechtsprechung in Strafsachen die Rechtsgültigkeit der 
militärischen Verordnungen nachprüfe. Aber eben diese Rechtsprechung 
bestätigt meine Auffassung; denn sie billigt dem MBH. eine Stellung zu, 
die man 1851 nur hätte andeuten sollen, wenn man das Gesetz zu Fall 
bringen wollte. Die Entwickelung ging aber ganz folgerichtig: Schon die 
Erklärung des KrZ. für das ganze Reichsgebiet war nicht unbedenklich; 
ich selbst habe sie Annalen 1914 S. 645 ff. nicht beanstandet, aber mit dem 
Vorbehalt S. 642, daß in dem Existenzkampf der deutschen Nation auch 5 
einmal gerade sein müsse. Statt in der Folge das Gesetz zu ändern, setzte 
sich die Praxis genau so, wie gleich in den ersten Zivilverordnungen (vgl. 
meine Bemerkungen a. a. O. 655) über das Gesetz hinweg, beließ es also 
bei dem 5 gerade sein lassen, und ließ es darauf ankommen, ob die Recht- 
sprechung nachträglich die schwerwiegende Ungültigkeitserklärung der 
meisten mil. Anordnungen aussprechen oder sich der Auffassung der Praxis 
anschließen, vielleicht auch ein neues eigenes Rechtssystem aufstellen wolle. — 
Es ist bezeichnend, daß bei der Wertung des BZG. fast nur diese formale 
Möglichkeit der Willkür Beachtung gefunden und demgemäß den Eindruck 
hervorgerufen hat, als sei diese die Quintessenz und der einzig mit dem 
Gesetz gewollte Erfolg; MOHL sprach geradezu von einem „der Zeiten eines 
Alba würdigen Gesetz“ (BEzoLnD, Mat. der deutschen Reichsverf. 3 518). 
Es kann demgegenüber gar nicht oft genug betont werden, wie außer- 
ordentlich weitgehend der rechtsstaatliche Gedanke 
ım BZG. eingearbeitet wurde. Das Versagen der Ministerverant- 
wortlichkeit und der Rechtsprechung kann doch auch in normalen Zeiten 
eintreten und ist garnichts dem BZ. eigentümliches. Ich bin der Ansicht, 
daß, wenn man sich die Mühe genommen hätte, das BZG. auf Grund der 
Materialien im Zusammenhang mit den andern deutschen Gesetzgebungen 
zu prüfen, der rechtsstaatliche Gesichtspunkt sehr wohl hätte erkannt und 
damit die heutigen Kalamitäten hätten vermieden werden können. Wenn 
man natürlich immer wieder in vollem Umfang für materielles („öffent- 
liches*) „Recht“ erklärt, was nicht verhindert werden kann, dann braucht 
man sich über die heutigen Zustände und Zensurdebatten nicht zu wundern. 
Es ist übrigens nicht uninteressant, daß der Staatssekretär des Innern in 
der Reichstagssitzung vom 28. Okt. 1916 zugab, daß der MBH. kein Diktator 
sei, daß einem solchen gegenüber „die Befugnisse eines MBH. von heute 
ganz geringfügig sind“.
	        
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