Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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Sie bedürfe also nieht nur keiner Gegenzeichnung des Reichs- 
kanzlers, der ja für sie keine Verantwortlichkeit dem Reichstag 
gegenüber übernehme, sondern diese sei sogar unzulässig. Solange 
die Folge der Ausübung dieses angeblichen militärischen Rechts 
des Kaisers eine Konzentration der Zivilgewalt in der Hand der 
nur ihm (Art. 64 RV.) unterstehenden Oberkommandierenden 
wäre, so bliebe gegen diese Konstruktion nichts einzuwenden; 
denn es bliebe die Einheit in der obersten Spitze gewahrt, und 
mit dem Reichsrecht geht auch das Reichsinteresse vor Landes- 
recht und Landesinteresse. Nun haben wir aber — richtiger, und 
jedenfalls von der Praxis gehandhabter Ansicht nach — nur ein 
Kontingentsheer, und MBH. im Sinne des BZG. sind nicht nur 
die Oberkommandierenden des Art. 64 RV., sondern möglicher- 
weise auch solche Befehlshaber, die vom Kontingentsherrn ernannt 
und abgerufen werden!“ Damit ergeben sich höchst sonderbare 
1867 („Setzen wir nur Deutschland in den Sattel, reiten wird es schon 
können“) zu vergleichen, in der er den Invaliden von Königsgrätz be- 
schwört, der sich statt mit der nur über die preußische Militärverfassung 
zu sichernden deutschen Einheit mit der Sicherung der Freiheitsrechte und 
des Budgetrechts des Landtags trösten solle. B. spielt hier sehr deutlich 
auf den formell ja noch gar nicht vollständig erledigten Verfassungskon- 
flikt an, in welchem er für die unbedingte „Autorität“, und zwar nicht 
nur in militärischen Dingen, gegen die „Majorität“ gefochten hatte. Die 
Bundesverfassung sollte ihm ja eines der Mittel zur Ueberwindung jener 
„Majorität* sein. Was lag für ihn näher, als sich mindestens für Aus- 
nahmezeiten durch Konstruktion der Kriegszustandserklärung als eines 
Stücks Oberbefehl die unbedingte Autorität zu sichern? Man hat ja auch 
in der Folge versucht, die militärischen Kompetenzen auf formell-legalem 
Weg zu erweitern: $ 9 Nr. 2 des Ges.Entw. über den BZ. in Elsaß-Lothrin- 
gen von 1892, der ausweislich der Begründung dem preuß $ 9b „entspre- 
chen“ soll, bedroht mit Strafe die Zuwiderhandlung gegen „die zum Schutz 
der öffentl. Sicherheit oder Ordnung getroffenen Anordnungen“. 
Auffallend genug ist auch die Behauptung der Motive zum bayer. Kr2G. 
(unten V), die Fassung des preuß. BZ. sei, „weil sich die Verhältnisse 
seit seiner Erlassung geändert haben, in manchen Punkten überholt“. Ich 
persönlich halte dafür, daß ein Regierungsrecht in Frage stehe; vgl. oben 
bei N. 95. 
154 TJjeber die Frage, wer MBH. i. S. des BZG. sei, hat man sich 1851
	        
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