— 418 —
gesprochene Rechtsschutzeinrichtung und es ist keine Rede davon,
daß hier noch über den Art. 62 VU. hinaus ein Notverordnungs-
oder Ausnahmegesetzgebungsrecht festgelegt worden wäre. Da-
ran hat auch Art. 63 RV. nichts geändert. Bei der von unseren
Gegnern beliebten Art der Kriegführung wäre es daher vielleicht
besser gewesen, wenn man das Gesetz im Falle seiner Unzuläng-
lichkeit geändert!#, und wenn das Reichsgericht sich nicht, aus-
gerechnet während dieses Krieges, als Richterkönig nach eng-
lischer Manier geriert hätte. An die Stelle des Versuchs von 1851,
die Staatseinheit auch in Ausnahmezeiten zu wahren, hat man aus-
gesprochen dualistische Gedankengänge gesetzt. Die dort ge-
rettete Staatseinheit erscheint gesprengt, es stehen eine ganze An-
zahl oberster Gewalten nebeneinander, die sich sämtlich, einschließ-
lich der Rechtsprechung, über das Gesetz hinwegsetzen, ja sich
sogar vielleicht untereinander den Rang streitig machen und zum
Teil gegenseitig die Verantwortung zuschieben — eben jene Ver-
antwortung, durch deren Verteilung die Staatseinheit 1851 gewahrt
worden war. Das Ergebnis der nun einmal gewählten Stellung-
nahme ist jenes, obendrein stark polizeistaatlich angekränkelte
Neben-, Gegen- und Auseinanderregieren, unter dem unsere ge-
samten innerstaatlichen Verhältnisse während des Kriegs kranken,
und das uns das „Durchhalten“ vielleicht schwerer macht, als der
„äußere Feind“. Für wen das öffentliche Recht mehr als reiner
— gegebenenfalls von der Volksvertretung gebilligter oder von
ihr vielleicht sogar geforderter — Utilitarismus ist, wird dieses
Ergebnis tief bedauerlich sein.
halb läßt sich für seine Anordnungsbefugnis auch nicht mit dem sicher zur
vollziehenden Gewalt gehörenden Kgl. Notverordnungsrecht arbeiten; erst
recht nicht in der extensiven Interpretation, die ihm dabei PELARGUS a. a. 0.
geben will. — Ueber die Frage, inwieweit bei den sog. Delegationen
überhaupt von Ausübung einer Gesetzgebung gesprochen werden kann, vgl.
Dyrorr, Annalen 1889 S. 877.
160 Vgl. auch meine Bemerkungen JW. 1916 S. 278 zur dortigen Entsch.
Nr. 3, in der ebenfalls ein Gegenstand im Wege der Auslegung „geordnet“
wird, der an sich hätte im Gesetz geregelt werden müssen.