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V.
Zum Schlusse haben wir der Vollständigkeit halber noch
einen Blick zu werfen auf die Verhältnisse inBayern. Der
historischen Folge hätte es entsprochen, diese an die Spitze zu
setzen, da hier angesichts der im Bündnisvertrag vom 23. Nov.
1870 III $ 5 VI vorbehaltenen Nichtanwendbarkeit des Art. 68 RV.
das alte Standrecht bis 1912 die alleinige Ausnahmemaßregel
war. Da man sich jedoch 1912 bewußt und gewollt an den
preußisch-reichsrechtlichen Rechtszustand angelehnt hat, war die
bayrische Gesetzgebung erst nach jener zu besprechen.
Was den älteren Rechtszustand anlangt, so waren die grund-
legenden Bestimmungen des alten Strafgesetzbuchs von 1813
mehrfach geändert worden!‘®. Geblieben war es bei der Ver-
hängung des Standrechts nur im Hinblick auf bestimmte Ver-
brechen, nämlich gewisse Verbrechen gegen die Sicherheit des
Staats, wenn diese soweit gediehen sind, daß die Ruhe nur durch
außerordentliche Gewalt wiederhergestellt werden kann, oder
Raub, Mord und Brandstiftung so ungewöhnlich in einer Gegend
überhandnehmen, daß die ordentlichen Mittel zur Herstellung der
öffentlichen Sicherheit fruchtlos bleiben. Die Anordnung geht
in beiden Fällen von verschiedenen Stellen aus; bezeichnender-
weise im letzten Fall vom König auf Antrag der Kreisregierung
nach Gutachten des Obersten Landesgerichts und des Staatsrats.
Die Wirkung ist in beiden Fällen Aburteilung der bezeichneten
Delikte vor den Standgerichten im prompten Verfahren mit ab-
soluter (Todes-) Strafe. Daneben unterwirft noch das MStr@B.
von 1869 die Bewohner eines in BZ. erklärten Bezirks den
militärischen Standgerichten, wenn sie bestimmte Delikte auf
dem Kriegsschauplatz oder besetzten ausländischen Gebieten be-
gehen.
170 Vgl. MITTERMAIER a. a. O. 45 ff, SEYDEL, bayr. Staatsrecht 1. Aufl.
5 79 ff., SEYDEL-GRASSMAnN 2 252 ff., FLEISCHMANN a. a. O. 401, sowie die
unten N. 176, 178 zit. Materialien zum Gesetz von 1912.