Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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den Parteiführern Beratungen in Dingen gepflogen, die in Frie- 
denszeiten nach Verfassungsrecht durch die Reichsregierung allein 
ihre Erledigung fanden. Daß Reichsleitung und Oberste Heeres- 
leitung in dieser Zeit zusammengehen, ist eine solche Selbstver- 
ständlichkeit, daß jeder Versuch einer juristischen Kritik dieses 
Verfahrens an dem Odium der Lächerlichkeit scheitern müßte. 
Gewiß ist der Krieg ein großer Umgestalter, indem er tat- 
sächliche Zustände schafft, die hinterher eine rechtliche Formu- 
lierung und Sanktion oder, soweit sie nur vorübergehender Natur 
sind, eine Abschaffung erheischen. Aber alle diese tatsächlichen 
Zustände sind einstweilen nur Schwebezustände und ohne Einfluß 
auf das geltende Verfassungsrecht. Es ist vielleicht eine der be- 
deutsamsten Wirkungen des 50jährigen Bestandes unseres Ver- 
fassungsrechtes, daß das Reich solche Schwebezustände auch von 
relativ langer Dauer tragen und ertragen kann, ohne dadurch in 
seinem vorher schon eingelebten normalen Bestande wesentlich 
berührt zu werden. Hätte das Reich einen Krieg wie diesen etwa 
im Jahre 1872 oder 1878 zu führen gehabt, so würde sich die 
Dauerhaftigkeit seiner Einrichtungen vielleicht nicht so haben 
bewähren können wie jetzt, da wir diese Einrichtungen in über- 
lebenslanger Uebung zu handhaben gelernt haben. 
Der Krieg ist eben nicht nur ein großer Umgestalter, son- 
dern auch ein großer Erhalter. Was der Feind so brutal, in un- 
serem Falle vielfach auch so ungeschickt anficht und zu zerstören 
sucht, das gewinnt schon durch den natürlichen Gegendruck der 
Verteidigung eine besondere Art innerer Festigkeit und bis zu 
einem gewissen Grade sogar eine durch keine Logik und Dialektik 
zu ersetzende Rechtfertigung. Der Feind schneidet selbst über 
manches, was an sich zur inneren Erwägung reif wäre, die Dis- 
kussion gerade dadurch ab, daß er versucht, es gewaltsam auch 
in unserem inneren Leben zur Diskussion zu stellen; denn jeder- 
mann merkt die Absicht und ist einer Programmstellung für 
eigene Angelegenheiten durch den Feind natürlich abgeneigt.
	        
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