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So wird man sich in Deutschland, so lange die Waffen und
hinter ihnen auf Feindesseite die Verleumdung sprechen, auf eine
politische Diskussion irgend welcher Grundlagen unseres Reichs-
verfassungsrechtes nicht einlassen dürfen.
Alles öffentliche Leben steht während des Krieges unter dem
Zeichen der Kriegsnotwendigkeit, jeder Versuch der Durch-
brechung dieses Bannes ist vergeblich, wenn nicht gar ver-
räterisch.
Unter dem Zeichen der Kriegsnotwendigkeit stehen alle oben
angeführten Sonderformen unseres konstitutionell-parlamentarischen
Kriegsgebahrens, steht auch jene innigere Gestaltung der Be-
ziehung zwischen politischer Führung und Kriegsführung einer-
seits und zwischen politischer Leitung und parlamentarisehem Wir-
ken andrerseits. Unter dem Zeichen der Kriegsnotwendigkeit
steht aber auch die Zurückstellung der Frage des parlamentari-
schen Systems in der allgemeinen öffentlichen Diskussion !.
Und dennoch, ja gerade deshalb, weil es im Kriege gilt, Zu-
stände und Einrichtungen unberührt zu lassen, ja sogar zu ver-
teidigen, einfach deshalb, weil der Feind sie angreift, muß die
wissenschaftliche Arbeit am Werke bleiben und mit um so grö-
ßerer Sorgfalt und Strenge prüfen, was sich bewährt hat, was
nicht, was besonders etwa an den Grundlagen in Zukunft besserns-
wert erscheint.
Wir erlebten, daß die Kgl. preußische Regierung in ihrem
Staate einen bedeutsamen Einschnitt in die Grundlagen seines
Verfassungsrechtes für zeitgemäß hielt und eine Vorlage über die
Reform des Wahlrechtes der Abgeordnetenkammer und der Zu-
sammensetzung des Herrenhauses ihres Landtags einbrachte.
Diese formell rein preußische Vorlage steht nun zwar mit den
Grundlagen unserer Reichsorganisation formellrechtlich in keinem
ı Ich habe dies in meiner Abhandlung „Das parlamentarische System.
Eine Untersuchung seines Wesens und Wertes“, Verlag von W. Rothschild
Berlin 1917, S. 3 ausdrücklich hervorgehoben.