Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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WINDTHORST und BISMARCK ausführlich behandelt, von jenem 
befürwortend, von diesem ablehnend. 
Der konservative Redner Abgeordneter Dr. FRIEDENTHAL be- 
zeichnete den Inhalt des Art. 21 des Entwurfs als einen der wich- 
tigsten des ganzen Werkes und charakterisierte den Reichstag, 
der nur aus einem Hause bestehen solle, als eine „Umfriedung“ 
der partikularen Landtage. Er warnte vor Ueberbürdung mit 
Kompetenzen, weil ihm ein einhäusiger Reichstag auf der Grundlage 
des allgemeinen Wahlrechtes als ein zwar äußerst aktionsfähiger 
aber nicht sehr tragfähıger Körper erschien, dem man deshalb 
auch nur beschränkte Kompetenzen geben dürfe. Zur Oberhaus- 
frage führte er dann aus: 
„Ich betrachte nach meinen Anschauungen die Regierungen nicht als 
etwas außerhalb des Volkes oder gegenüber dem Volke Stehendes, sondern 
betrachte sie als einen organisierten Faktor des Volkes, und deshalb, weil 
dies meine Anschauung ist, halte ich es für notwendig, daß zwischen ihnen 
und derjenigen Vertretung, die das bewegliche Element im Volke in sich 
schließt, noch ein zweiter Faktor steht, welcher die Kraft des Stoßes allzu 
heftiger Bewegung ablenkt: ich meine ein Oberhaus. Hätte ich die Mög- 
lichkeit eines Oberhauses in diesem Entwurfe gesehen, so würde ich mich 
auch viel eher dazu haben entschließen können, das Gebiet der Kompetenz 
des Reichstags zu erweitern. Weil ich aber diese Möglichkeit, ohne den 
Entwurf in seinen Wesenheiten zu ändern, nicht sehe, war auch dies für 
mich bestimmend, die Kompetenz auf diejenigen Punkte, diejenigen Ziele 
einzuschränken, die wir dem Reichstage, der Gesetzgebung des Bundes ge- 
steckt haben, die Sicherheit, die materielle Wohlfahrt und, wie wir sehr 
glücklich hinzugefügt haben, die auf Rechtseinheit gerichteten Bestrebun- 
gen. Wenn ich nun, m. H., auf der einen Seite aus diesen Gründen an 
dem Prinzip des Entwurfs, soweit er die Kompetenz auf jene Ziele ein- 
schränkt, festhalten müßte, so fühle ich mich auf der anderen Seite ver- 
bunden, dieses allgemeine, direkte und geheime Wahlrecht pure zu akzep- 
tieren. Ich muß mich deshalb entgegen dem Amendement von BRÜNNECK, 
auch gegenüber dem Amendement, welches ein Oberhaus einführen will, 
für die Annahme des Artikels, soweit er dieses Haus aus direkten, allge- 
meinen und geheimen Wahlen hervorgehen läßt, aussprechen.“ 
Der Redner spricht sich dann noch für Ausdehnung der Le- 
gislaturperiode auf 5 Jahre und eine verbesserte Kreisordnung
	        
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