Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

— 129 — 
Lager spaltete, ein kapitalistisches, arbeitgebendes, halb- oder 
viertelgebildetes, besitzendes Proletariat und in eine begehrende, 
sensationsbedürftige, im Grund aber doch arme und entbehrende 
Masse, mit der eineraffinierte Demagogie einen förmlichen Kultus 
trieb. Kapital und Massen, einander fast unvermittelt gegenüber- 
gestellt, verrannten sich in einen Kampf um Macht und Herr- 
schaft, wobei der Machtbegriff selbst durch rohe Formen des 
äußeren Lebens äußerlich und hohl geworden ist. 
Bedenken wir diese Erscheinung unseres öffentlichen Lebens, 
wie sie allen Einsichtigen vor dem Krieg in grellen Farben und 
aufdringlichen Gebärden entgegentrat, so zeigt sich sofort die 
Öberflächlichkeit und Voreiligkeit jenes Urteils, welches aus dem 
neiderweckenden Zustande wirtschaftlichen Aufschwunges unseres 
Vaterlandes den Schluß zieht, daß wir mit all unseren Einrich- 
tungen gut gefahren seien und einer hemmenden Einrichtung wie 
eines ÖOberhauses im Reich wohl auch in Zukunft entbehren 
könnten. 
Viele, ja vermutlich die Mehrzahi, werden freilich nach die- 
sem Krieg gar nicht geneigt sein, einer tieferen kritischen Nach- 
prüfung unserer inneren Zustände vor dem Kriege sich zu wid- 
men; sie sehen nur die äußeren Schäden, die der Krieg gebracht 
hat und haben kein andres Ziel, als möglichst rasch dieselben 
wieder auszugleichen und womöglich wieder zu den Zuständen 
zurückzusteuern, wie sie vor dem Kriege waren. Ihnen ist an der 
Belebung aller Arbeitskräfte, an der Herstellung guter Löhne und 
gesunder Preise, an der Beschaffung von industriellem Roh- 
material, Sanierung des Geldmarktes und was dergleichen soziale 
und wirtschaftliche Sorgen mehr sind, alles gelegen. 
Ein arbeitsfreudiger Reichstag von möglichst großer Aktions- 
fähigkeit und Volkstümlichkeit mag ihnen als das trefflichste Or- 
gan erscheinen, um den bürokratischen Geist der Regierungen zu 
überwinden und das öffentliche Leben mit neuer Triebkraft zu 
beschwingen. Von hemmenden Einrichtungen und Stimmen der 
Archiv des öffentlichen Rechte. XXXVIII. 1. 9
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.