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tieferen Selbstbesinnung wollen sie nichts wissen. Diese Stimmen
aber werden sich erheben und eine kräftige Sprache reden, denn
das Wohl des Ganzen liegt ihnen in einem höheren Sinn am
Herzen als denen, die das Reich nur als ein großes Geschäftshaus
betrachten, welches in der Kriegskrisis durch ein Unwetter Scha-
den gelitten hat, und nun möglichst rasch wieder in vollen Be-
trieb gesetzt werden soll.
Im Kulturleben eines großen und tüchtigen Volkes gibt es
eben neben der Magensorge, um welche Kapital und Massen sich
fast ausschließlich bemühen, auch noch andre Werte und Güter,
die nicht vernachlässigt werden dürfen, wenn nicht ein ganzes
Volk in all seinen Schichten auf den Wert des Gesindels herab-
gedrückt werden soll. Es muß auch die Erkenntnis wieder Gel-
tung erhalten, daß Kapital nichts andres als Arbeitsmittel, Masse
nichts andres als ein Willenschaos ıst, daß aber Politik und lei-
tende Macht aus diesen Kraftquellen allein sich nıcht zum Besten
des Ganzen gestalten lassen, sondern daß dazu auch noch eine
über den rohen Kampf ums Dasein gehobene Schicht geschulter
Köpfe gehört, deren Stimme im Rat der Besten vernommen wer-
den muß.
Wir bedürfen im Reich solcher Schicht der Besonnenen so
nötig, daß wenn sie nicht vorhanden wäre, sie gezüchtet werden
müßte. Wir bedürfen ihrer nach dem Kriege mehr als vorher;
denn es wären trübe Aussichten, wenn wir nichts Höheres durch
ihn gewonnen hätten als den Wunsch, daß es nur bald wieder so
werde, wie es vorher war. Deutschland muß, um die im Krieg
errungene Stellung im Rate der Völker der Welt künftig behaupten
und für weite Zukunft befestigen zu können, unbeirrt durch ein-
seitige Parteiwünsche, doktrinäre Theorien oder Klassenvorurteile,
nach einer Verwettung aller tüchtigsten Kräfte aus allen Kreisen und
Schichten des Volkes streben. Weder dem Terrorismus der Massen,
noch der Stahlhand des Kapitals, weder absoluter Fürstengunst
noch bürokratischem Schablonengeist allein soll es vorbehalten