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sollte nicht sein ein Bund für einen vorübergehenden Zweck, son-
dern für alle Zukunft und darnach legte man auch die Organe
so an, daß sie dauern sollten. Aber man konnte doch nicht mehr
tun als das Menschenmögliche, man konnte nur anlegen, was
sich erst im wirklichen Leben zur vollen Gestalt zu entwickeln
hatte. Ein absolut Endgültiges in der Organisation zu schaffen,
wäre nicht nur eine Unmöglichkeit gewesen, sondern lag auch
gar nicht im Plan des mit menschlichen Dingen wohl rechnenden
Meisters.
Inzwischen nun liegen 50 Jahre reicher Erfahrung. Mit an-
dern Augen blicken wir heute in das Werk von 1867/70 und
würden dem Meister und seinen Helfern nicht gerecht, wenn wir
den veränderten Voraussetzungen des Urteils ihre Geltung ver-
sagten, um so weniger dürfen wir dies heute tun, da schon die
Berater des Verfassungsentwurfes von 1867 den Oberhausgedan-
ken ernsthaft prüften und ein nicht unbedeutender Teil schon da-
mals die Einfügung eines Oberhauses empfahl. Auch BISMARCKSs
entscheidende Ablehnung geschah, wie er ausführlich darlegte,
nicht aus grundsätzlicher Gegnerschaft gegen die Einrichtung,
sondern nur weil er in der Verfassung für damals keinen Platz
sah und weil er für damals den Bau nicht durch Schwerfälligkeit
schädigen wollte. BISMARCK betonte in seinen wohlabgewogenen
Worten dies letztere Argument als das für ihn entscheidende.
Seine Worte und Gründe bedürfen heute ganz besonders der
Nachprüfung und zwar von dem Standpunkte aus, daß zu prüfen
ist, ob das, was ihm damals für die erst zu schaffende Organisa-
tion und für den erst ins Leben tretenden Bund das Richtige
schien, auch heute noch volle Geltung hat, nachdem der Bund
50 Jahre lang mit der Organisation von damals gearbeitet hat.
Es sind eigentlich zweierlei grundverschiedene Projekte, die
BIisSMARCK kritisch würdigt und ablehnt, das eine ist die Umge-
staltung des Bundesrates in ein Oberhaus, das andre die Gliede-
rung des Reichstags in zwei Häuser neben dem Bundesrat. Das