Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

—_ı —_ 
ordnenden Beziehungen miteinander leben. Diese Voraussetzungen 
sind keineswegs immer so selbstverständlich gegeben, als uns heute 
vorkommen mag?. Insbesondere haben im Lauf der Geschichte 
die Nationalgottheiten vielfach hemmend gewirkt, indem sie den 
fremden Nationalgott und sein Gemeinwesen nicht als gleichwertig 
selten ließen und damit eine völkerrechtliche Ordnung ausschlossen 
oder umgekehrt für derartige Beziehungen selber eine Art Ordnung 
geben: das jus fetiale bedeutet für den frommen Römer allerdings 
gewisse Pflichten im Verkehr mit anderen Völkern; aber sie sind 
den Göttern allein geschuldet, mit denen man sich immer abfinden 
kann. Das ist kein Völkerrecht. Ebensowenig wäre es Völker- 
recht geworden, was seinerzeit die päpstliche Theokratie den 
ihr untergebenen Obrigkeiten des Abendlandes für ihr gegen- 
seitiges Verhalten hat vorschreiben können und wollen. 
Die Zeit des Völkerrechts beginnt erst nach Ausgang des 
Mittelalters mit der Ausbildung der „europäischen Staatenfamilie*. 
Die weltlichen Mächte sind seine Träger, und der Abschluß der 
Religionskriege durch den westfälischen Frieden enthält zugleich 
die feierliche Bekundung, daß jetzt etwas Neues beginne®. Das 
europäische, das christliche Völkerrecht ist da, und dieses ist 
berufen, die ganze Welt zu erfüllen‘. Eine reiche und wertvolle 
  
2 Es sieht gut aus, wenn man den bekannten Friedensschluß zwischen 
Ramses II und dem Chetafürsten als „älteste völkerrechtliche Urkunde“ 
anzuführen weiß. Allein was die beiden „Mächtigen“ sich da gelobten, ist 
so wenig ein Staatsvertrag wie der zwischen Salomo und seinem Zedern- 
holzlieferanten Hiram von Tyrus nach 1 Könige 5. 
® Die ethische Grundlage der neuen Gesellschaft wird in Art. I des 
Friedensinstrumentes kräftig betont: „daß eine christliche allgemeine im- 
merwährende wahre und aufrichtige Freundschaft zwischen den beiden 
Teilen aufgerichtet .. .. auch einmütig und mit Eifer erhalten werden volle, 
daß jeder Teil des anderen Nutzen, Ehr und Frommen befördern und ver- 
trauliche Nachbarschaft pflegen und geruhliche sichere Friedens- und Freund- 
schaftsbezeigungen herfürblühen mögen.“ — Die Kirche hat sich bekannt- 
lich gegenüber dieser ganzen Entwicklung eines neuen Weltzustandes grol- 
lend ferngehalten. 
* Mont, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik S. 579 ff.: Die „internatio-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.