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Nach dem Dargelegten dürfte die Frage kaum mehr zweifel-
haft sein. Wenn es bei einer parlamentarischen Versammlung
eines großen Staatswesens vor allem darauf ankommt, daß dieser
Versammlung alle verfügbaren wertvollsten politischen Elemente
zugeführt werden, dann dürfte ein etwa nach dem dargelegten
Plan zusammengesetztes Oberhaus eine wünschenswerte und wohl
auch erreichbare Ergänzung des nach dem allgemeinen, gleichen
direkten und geheimen Wahlrechte zusammengesetzten einhäusigen
Reichstages sein.
Es dürfte dieser Vorzug auch so bedeutend sein, daß er den
Nachteil einer größeren Umständlichkeit des Verfahrens, der nicht
zu leugnen ist, erheblich überwiegt, zumal dieser Nachteil, aus
dem Entwicklungspunkte unserer Zeit gesehen, ohnehin nicht mehr
so schwer wiegt, als er wog zu einer Zeit, in der es noch an jeder
Uebung der Reichsorgane und an ausreichenden Erfahrungen mit
dem allgemeinen Wahlrechte fehlte.
Vollends zur Notwendigkeit aber scheint mir das Oberhaus
dann zu werden, wenn das parlamentarische System im Deutschen
Reiche zur Einführung gelangen sollte. Denn dieses System for-
dert vor allem eine festere Grundlage des Parlamentsbaues selbst,
als diejenige des gegenwärtigen Reichstages ist.
Nun stehen in der geltenden Ordnung der nach allgemeinem
Wahlrecht gewählte Reichstag und der rein bürokratische Bundes-
rat einander starr gegenüber. Daß es diesen beiden Versamm-
lungen bisher nicht gelungen ist, sich gegenseitig politisch zu
durchdringen und jene Harmonie der Geschäftsführung zu errei-
chen, die wir in Zukunft so dringend notwendig haben werden,
darüber ist wohl heute in den politisch denkenden und erfahrenen
Kreisen Deutschlands kein Zweifel mehr.
Man wird deshalb auch der zweiten Besorgnis BISMARCKSs, es
möchte ein um ein Oberhaus verstärkter Reichstag ein allzuge-
wichtiges Organ werden, dessen Druck auf den Bundesrat für die
Bedeutung dieses unentbehrlichen Organes schädlich wirken könnte,