Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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Nach dem Dargelegten dürfte die Frage kaum mehr zweifel- 
haft sein. Wenn es bei einer parlamentarischen Versammlung 
eines großen Staatswesens vor allem darauf ankommt, daß dieser 
Versammlung alle verfügbaren wertvollsten politischen Elemente 
zugeführt werden, dann dürfte ein etwa nach dem dargelegten 
Plan zusammengesetztes Oberhaus eine wünschenswerte und wohl 
auch erreichbare Ergänzung des nach dem allgemeinen, gleichen 
direkten und geheimen Wahlrechte zusammengesetzten einhäusigen 
Reichstages sein. 
Es dürfte dieser Vorzug auch so bedeutend sein, daß er den 
Nachteil einer größeren Umständlichkeit des Verfahrens, der nicht 
zu leugnen ist, erheblich überwiegt, zumal dieser Nachteil, aus 
dem Entwicklungspunkte unserer Zeit gesehen, ohnehin nicht mehr 
so schwer wiegt, als er wog zu einer Zeit, in der es noch an jeder 
Uebung der Reichsorgane und an ausreichenden Erfahrungen mit 
dem allgemeinen Wahlrechte fehlte. 
Vollends zur Notwendigkeit aber scheint mir das Oberhaus 
dann zu werden, wenn das parlamentarische System im Deutschen 
Reiche zur Einführung gelangen sollte. Denn dieses System for- 
dert vor allem eine festere Grundlage des Parlamentsbaues selbst, 
als diejenige des gegenwärtigen Reichstages ist. 
Nun stehen in der geltenden Ordnung der nach allgemeinem 
Wahlrecht gewählte Reichstag und der rein bürokratische Bundes- 
rat einander starr gegenüber. Daß es diesen beiden Versamm- 
lungen bisher nicht gelungen ist, sich gegenseitig politisch zu 
durchdringen und jene Harmonie der Geschäftsführung zu errei- 
chen, die wir in Zukunft so dringend notwendig haben werden, 
darüber ist wohl heute in den politisch denkenden und erfahrenen 
Kreisen Deutschlands kein Zweifel mehr. 
Man wird deshalb auch der zweiten Besorgnis BISMARCKSs, es 
möchte ein um ein Oberhaus verstärkter Reichstag ein allzuge- 
wichtiges Organ werden, dessen Druck auf den Bundesrat für die 
Bedeutung dieses unentbehrlichen Organes schädlich wirken könnte,
	        
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