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Die von Solchen behauptete Zufriedenheit dürfte sich jedoch weit
mehr in den Kreisen der Eingewanderten als in der größeren
Masse der eingeborenen Landesbevölkerung finden. Diese sog.
eigentlichen Elsaß-Lothringer hegen, soweit sie überhaupt einen
Wunsch haben, wie oft und laut genug gezeigt und gesagt wor-
den ist, so ziemlich einmütig den Wunsch nach Autonomie und
verstehen darunter eigene Landesherrschaft und vollkommene
Gleichstellung mit den übrigen Bundesstaaten. Die kleine Zahl
derer, die den Wunsch nach Wiederanschluß an Frankreich hegen,
kann hier außer Betracht bleiben.
Es soll im Folgenden gezeigt werden, daß dieses Verlangen
nach Autonomie und Gleichstellung wohl begründet ist und zum
Vorteil nicht nur des Landes, sondern auch des Reiches erfüllt
werden könnte.
Der tiefe Unterschied zwischen der Stellung Elsaß-Lothrin-
gens und derjenigen der Bundesstaaten ist der, daß das Reichs-
land keine geschichtlich gewordene Landesherrschaft besitzt. Trä-
ser der Herrschaft ist das Reich, die Ausübung der Staatsgewalt
ist nach wie vor der Verfassungsreform von 1911 beim Kaiser
geblieben. Durch die Ausschaltung des Bundesrates aus der
Landesgesetzgebung, durch die Fortbildung des Landesausschusses
zum zweihäusigen Landtag und durch die Stärkung der Stellung
des Statthalters, welche das Verfassungsgesetz von 1911 gebracht
hat, ist an dieser Ordnung der Landesherrschaft im wesentlichen
nichts geändert worden. Das Land war nie in der Lage, sich
selbst eine Verfassung zu geben und die Verfassung, die es hat,
ist ihm durch Reichsgesetz gegeben, kann ihm also auch durch
Reichsgesetz wieder genommen oder geändert werden. Das Land
hat nie einen im Gebiete ständig residierenden Landesherrn ge-
habt und hat ihn auch jetzt nicht, denn der Kaiser, der dort die
Rechte eines Landesherrn zum Teil persönlich, zum Teil durch
seinen beamteten Stellvertreter, den Statthalter, ausübt, ist nicht
im Reichsland residierender Landesherr. Das Land steht nach wie